Römisch-Katholische Kirche
Situation in der Gegenwart
Die Römisch-Katholische Kirche ist die größte christliche Kirche, der nach aktuellen Angaben ca. 1,3 Milliarden Menschen in aller Welt und ca. 23 Millionen Menschen in Deutschland angehören. Sie ist weltweit verbreitet und besteht „in und aus“ Teilkirchen, d.h. Diözesen oder Bistümern. Ihr Zentrum befindet sich im Vatikan in Rom. Der dort residierende Papst ist als Bischof von Rom sowohl Bischof eines einzelnen Bistums als auch Oberhaupt der Gesamtkirche (CIC, can. 331). Der Papst ist die höchste kirchliche Autorität in der katholischen Kirche: seine lehramtlichen Entscheidungen bedürfen nicht der Zustimmung anderer und es gibt keine Berufung an eine andere Instanz (vgl. CIC, can. 333). Aufgrund des auf dem I. Vatikanischen Konzil 1870 dogmatisierten Jurisdiktionsprimates kann er in alle anderen Teilkirchen eingreifen. Andererseits betonte das II. Vatikanische Konzil (1962-65) die Kollegialität der Bischöfe. Der Papst ist als Bischof von Rom sowohl Teil des Kollegiums der Bischöfe als auch Haupt des Bischofskollegiums und als solcher frei in seinen Entscheidungen. Der Papst wird von den Kardinälen unter 80 Jahren, welche die höchsten Würdenträger nach dem Papst sind, in einem „Konklave“ auf Lebenszeit gewählt.
Sehr selten tritt ein „Ökumenisches Konzil“ zusammen (zuletzt 1962-1965), welches alle Leiter eines kirchlichen Verwaltungsbezirkes, d.h. alle Bischöfe und Ordinarien, darüber hinaus auch alle nichtregierenden Bischöfe sowie die Ordensoberen zusammenführt. Seine Beschlüsse müssen vom Papst approbiert werden und haben für die römisch-katholische Weltkirche rechtsverbindlichen Charakter.
Seit dem II. Vatikanischen Konzil gibt es die sogenannten „Bischofssynoden“. Diese Versammlungen haben nur beratende Funktion. Gesetzeskraft bekommen die Beschlüsse erst durch ein nachsynodales Schreiben des Papstes.
Bei der Verwaltung der Weltkirche wird der Papst von einer Reihe römischer Behörden unterstützt, die in ihrer Gesamtheit als Römische Kurie bezeichnet werden. Gelegentlich findet sich auch der Begriff „Heiliger Stuhl“. Der Heilige Stuhl gilt als völkerrechtliches Subjekt und kann als solches diplomatische Beziehungen zu Staaten in aller Welt aufnehmen. Die Römische Kurie nimmt die ihr übertragenen Aufgaben im Namen des Papstes und in seiner Autorität wahr (CIC, can. 360). Ihre Arbeit leistet sie in Kongregationen, Dikasterien, Räten, Gerichtshöfen und Kommissionen.
Die katholische Kirche hat ein einheitliches Kirchenrecht, welches im Codex Iuris Canonici (CIC) von 1983 zusammengefasst ist. Im Rahmen dieses universalkirchlichen Rechtes bleibt gleichwohl Raum für nähere Ausgestaltung in einem ortskirchlichen Partikularrecht. Die unierten Ostkirchen haben im Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (CCEO) von 1990 ein eigenes Kirchenrecht.
Katholische Ostkirchen
Die überwiegende Mehrheit der Katholiken weltweit gehört dem sogenannten „römischen“ bzw. „lateinischen Ritus“ an; für sie gilt die Bezeichnung „römisch-katholisch“. Daneben gibt es auch die sogenannten unierten Ostkirchen. Dabei handelt es sich um Kirchen östlicher (orthodoxer und orientalischer) Tradition, die mit der lateinischen Kirche in voller Kirchengemeinschaft stehen. Sie bekennen denselben Glauben wie diese und erkennen den Primat des Papstes an, haben aber in Liturgie, Spiritualität, Verfassung und Kirchenrecht ihre eigene ostkirchliche Tradition weitgehend beibehalten (byzantinisch, ost- und westsyrisch, alexandrinisch, armenisch). Die unierten Ostkirchen zählen ca. 17,3 Mio. Gläubige und leben bzw. lebten lange fast alle unter bedrückenden Verhältnissen, entweder als Diasporakirchen in einer überwiegend islamischen Umwelt oder als unterdrückte und verfolgte Kirchen unter kommunistischer Herrschaft.
Die römisch-katholische Kirche auf nationaler und örtlicher Ebene und in Deutschland
An der Spitze einer jeden Diözese in aller Welt steht der Diözesanbischof, der als Nachfolger der Apostel durch die Weihe das Amt des Heiligens, des Lehrens und des Leitens empfängt (vgl. CIC, can. 375, §2). Ihm können Weihbischöfe („Auxiliarbischöfe“) zugeordnet sein. Der Diözesanbischof weiht als seine Mitarbeiter Priester und Diakone .
Die Vorgehensweise für die Auswahl von Bischöfen ist von Land zu Land unterschiedlich. In den meisten Ländern ernennt der Papst die Bischöfe frei, in Deutschland haben außerhalb Bayerns die jeweiligen Domkapitel ein Wahlrecht, anschließend wird der Kandidat vom Papst ernannt.
Der Papst kann „Kirchenprovinzen“ oder „Kirchenregionen“ mit einem Metropoliten an der Spitze bilden. In Deutschland gibt es 7 Kirchenprovinzen mit insgesamt 27 Diözesen: Das Erzbistum Bamberg mit den Suffraganbistümern Eichstätt, Speyer und Würzburg; das Erzbistum Berlin mit den Suffraganbistümern Dresden-Meißen und Görlitz; das Erzbistum Freiburg mit den Suffraganbistümern Mainz und Rottenburg-Stuttgart; das Erzbistum Hamburg mit den Suffraganbistümern Hildesheim und Osnabrück; das Erzbistum Köln mit den Suffraganbistümern Aachen, Essen, Limburg, Münster und Trier; das Erzbistum München-Freising mit den Suffraganbistümern Augsburg, Passau und Regensburg; das Erzbistum Paderborn mit den Suffraganbistümern Erfurt, Fulda und Magdeburg.
Bischöfe einer Nation oder eines Staates bilden gemeinsam eine „Bischofskonferenz“, um „gewisse pastorale Aufgaben für die Gläubigen ihres Gebietes nach Maßgabe des Rechts gemeinsam auszuüben“ (vgl. CIC, can. 447). Bischofskonferenzen haben also weder eine Jurisdiktion, noch üben sie ein Lehramt aus. Vielmehr gewinnen deren Beschlüsse erst Verbindlichkeit, wenn der einzelne Bischof sie in seiner Diözese in Kraft setzt. In Deutschland treffen sich die Bischöfe seit 1869 zweimal jährlich, davon einmal in Fulda. Diese Treffen wurden zunächst als „Fuldaer Bischofskonferenzen“ bezeichnet, seit 1965 gibt es die Deutsche Bischofskonferenz, der neben den Diözesanbischöfen auch alle Weihbischöfe und die Diözesanadministratoren angehören.
Die Ebene unterhalb der Diözese ist die Pfarrei, auch Pfarrgemeinde oder Kirchengemeinde genannt. Auf dieser Ebene ist der Pfarrer der Vertreter des Bischofs. Ihm obliegt die Leitung und geistliche Betreuung der Gemeinde, besonders die Leitung der Eucharistiefeier, der immer ein geweihter Priester vorstehen muss, und die Spendung der anderen Sakramente. Seit dem II. Vatikanum wurde das Amt des Diakons als eigenständiges Amt und nicht nur bloße Durchgangsstation zur Priesterweihe wiederentdeckt. In vielen katholischen Gemeinden sind heute sogenannte „ständige Diakone“, meist verheiratete Familienväter, sehr präsent. Sie gehören zum dreigliedrigen Klerus und empfangen das Sakrament der Diakonenweihe. Ihnen ist es erlaubt, beim Sakrament der Ehe zu assistieren, sie dürfen Andachten und diverse Gottesdienste halten, aber nicht der Eucharistie vorstehen.
Seit mehreren Jahrzehnten leisten auch Laien mit einer entsprechenden Ausbildung als Gemeinde-/Pastoralreferentinnen und -referenten in den Gemeinden ihren Dienst. Ihr Einsatz ist in den einzelnen deutschen Bistümern unterschiedlich geregelt, jedoch ist ihnen die Sakramentenspendung nicht erlaubt, da sie nicht am Weihesakrament partizipieren.
In den meisten Diözesen ist das Mitspracherecht der Priester und Laien durch verschiedene Gremien geregelt (Priesterrat, Seelsorgerat usw.). In den Pfarreien steht seit dem II. Vatikanum ein „Pfarrgemeinderat“ dem Pfarrer zur Seite, dessen Mitglieder von der Gemeinde gewählt werden und zu dem mancherorts auch Delegierte aus den katholischen Vereinen gehören. Ferner gibt es für die wirtschaftliche Verwaltung der Pfarreien ein Gremium, das meist „Kirchenvorstand“ genannt wird.
Der deutsche Katholizismus ist geprägt durch die im 19. Jahrhundert entstandenen katholischen Verbände. Die Säkularisierung von 1803 hatte eine flächendeckende Auflösung vieler Klöster und Ordensniederlassungen zur Folge und die Kirche verlor an Einfluss. Deshalb engagierten sich katholische Laien neben ihrem Einsatz für die bürgerlichen Freiheitsrechte auch für die Freiheit der Kirche, und dieses Engagement führte zu einer Erneuerung des religiösen und des kirchlichen Lebens. Die daraus entstandenen Verbände widmeten sich in der Regel vor allem sozialen, karitativen, gesellschaftlichen oder pastoralen Aufgaben. Damit einher ging auch ein neues Bewusstsein der katholischen Laien, für die Gestaltung von Kirche und Gesellschaft mit Verantwortung zu tragen. Denn die katholischen Verbände wurden nicht von der kirchlichen Hierarchie ins Leben gerufen und doch verstanden sie ihr Tun als Handeln der Kirche, als Wahrnehmung von deren gesellschaftlichen Aufgaben.
In Deutschland gibt es ca. 100 überdiözesan aktive Verbände. Millionen Katholiken sind in ihnen ehrenamtlich tätig und nehmen die Interessen der Menschen in der Gesellschaft wahr - sozial, politisch oder wirtschaftlich. Zu den bekanntesten Verbänden gehören der Bund der Deutschen katholischen Jugend BDKJ), der Caritasverband, der Familienbund deutscher Katholiken, die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), der Katholische Frauenbund, die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD), das Kolpingwerk, der Malteser Hilfsdienst, die Friedensbewegung Pax Christi, der Sozialdienst katholischer Frauen und der Bund katholischer Unternehmer, um nur einige zu nennen.
Delegierte der Diözesanräte und der Verbände sowie von Institutionen des Laienapostolates und weiteren Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft finden sich zusammen im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Das ZdK ist das von der Deutschen Bischofskonferenz anerkannte Organ, das die verschiedenen Aktivitäten der Laien koordiniert. Die Mitglieder des Zentralkomitees fassen ihre Entschlüsse in eigener Verantwortung und sind dabei im Grundsatz von Beschlüssen anderer Gremien unabhängig. Das ZdK ist unter anderem Initiator und Träger der Deutschen Katholikentage und, gemeinsam mit dem Deutschen Evangelischen Kirchentag, der in unregelmäßigen Abständen stattfindenden Ökumenischen Kirchentage. Derzeit trägt das ZdK gemeinsam mit der Deutschen Bischofskonferenz den auf zwei Jahre angelegten Prozess des Synodalen Weges.
Geschichte
Die römisch-katholische Kirche versteht sich als die Kirche Jesu Christi in ungebrochener geschichtlicher Kontinuität seit dem Pfingsttag. Wichtige Wegmarken der Geschichte waren nach anfänglicher Verfolgungszeit das Toleranzedikt von Mailand 313, welches dem Christentum den Weg von einer Entscheidungs- zur Volksreligion ebnete. Nach dem Zerfall des römischen Reiches im 5. Jh. wandte sich die römische Kirche den germanischen Völkern zu. In den folgenden Jahrhunderten nahm die theologische, politische und kulturelle Entfremdung zwischen der Kirche von Rom und den Kirchen im östlichen Teil des ehemaligen römischen Weltreiches zu und führte schließlich im 11. Jahrhundert in ein bis heute andauerndes Schisma.
Mit der Reformation zerfiel die kirchliche Einheit des Westens. Die vom Konzil von Trient (1545-63) beschlossenen Reformen prägten die katholische Kirche für Jahrhunderte und verfestigten zugleich die Trennung von den Protestanten. Nach der Entdeckung Amerikas folgten den spanischen und portugiesischen Eroberern katholische Missionare. In Lateinamerika – wie auch in Teilen Afrikas – entstanden starke katholische Ortskirchen, in Ostasien blieb diese Mission jedoch weitgehend erfolglos. Im 19. Jahrhundert erfolgte eine starke Zentralisierung, die ihren Höhepunkt im I. Vatikanischen Konzil fand, das die Unfehlbarkeit des Papstes und seinen Jurisdiktionsprimat dogmatisierte. Das 20. Jahrhundert war gekennzeichnet durch die Auseinandersetzungen mit totalitären Herrschaftssystemen wie Nationalsozialismus, Stalinismus und Kommunismus, an dessen Zerfall später Papst Johannes Paul II. nicht unbeteiligt war. Innerkirchlich markierte das II. Vatikanische Konzil eine Periode der Öffnung und Modernisierung, die maßgeblichen Einfluss auf das heutige Selbstverständnis der katholischen Kirche hat, deren Auswirkungen allerdings auch bis heute innerkatholisch kontrovers diskutiert werden.
Glaubensinhalte
Die Frage nach den Quellen, aus denen die römisch-katholische Kirche ihre Erkenntnis von Gott und der Welt gewinnt, ist auf dem II. Vatikanischen Konzil in der Dogmatischen Konstitution „Dei Verbum“ behandelt worden.
Bezugspunkt von Glauben und Leben ist laut dem Konzil die persönliche Begegnung mit Gott, die durch die Kirche vermittelt wird. Die Kirche bezeugt und vermittelt die Offenbarung Gottes in Jesus Christus. Die Bibel bewahrt als „Heilige Schrift“ die Offenbarung Gottes auf und steht am Anfang des Überlieferungsprozesses in der Tradition der Kirche. Die Offenbarung bringt den Menschen also einerseits direkt in Kontakt mit Gott, andererseits aber nur durch die Vermittlung der Kirche. Eine Begegnung mit Gott kann nicht dauerhaft unter Absehung der Kirche geschehen, da sich in der Kirche und ihren Handlungen Gott vergegenwärtigt.
Deshalb versteht sich die römisch-katholische Kirche als „Zeichen“ für Gottes Zuwendung zur ganzen Menschheit in Jesus Christus und als „Werkzeug“ zur Verwirklichung dieser Zuwendung (LG 1). Die Kirche ist nicht für sich selbst da, sondern für Gott und die Menschen. Sie sieht sich als Teil des göttlichen Heilshandelns in der Welt. Christus ist das Licht der Völker. Die Kirche ist sein Spiegelbild. Sie verbindet in sich als Volk Gottes alle Menschen, die zu allen Zeiten von Gott gerettet wurden – von Beginn der Menschheit an. Darum ist die Kirche Gemeinschaft der Heiligen (communio sanctorum). Das II. Vaticanum fasst das Wesen der Kirche so zusammen: Die Kirche ist „eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst.“ Sie ist die „mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi, die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche.“ Die katholische Kirche „ist die einzige Kirche Christi, die wir im Glaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen.“ Sie „ist verwirklicht (subsistit) in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird.“ (LG 8)
Glaubens- und Gemeindeleben
Die katholische Kirche kennt eine Fülle liturgischer Feiern und Formen und versteht sich selbst als eine Kirche, in der die Liturgie die Mitte kirchlichen Lebens ist. Von der Liturgie sagt das Zweite Vatikanische Konzil, sie sei „der Gipfel, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt“ (SC 10).
Zu diesem Gipfel hinauf führt der „Verkündigungsdienst“ der Kirche („Martyria“), während der diakonische Dienst („Diakonia“) von dort herkommt und sich in einer hierarchisch strukturierten Gemeinschaft realisiert, die gemeinsames Leben und Wirken in der Welt ermöglicht.
Unter den 7 Sakramenten – Taufe, Firmung, Eucharistie, Feier der Versöhnung (Beichte), Krankensalbung, Weihe (Ordo), Ehe – hat die Feier der Eucharistie (auch Hl. Messe genannt) eine zentrale Stellung. Sie ist Kristallisationspunkt von Gemeinde und Kirche, „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ (LG 11, vgl. SC 10). Von den Sakramenten zu unterscheiden sind liturgische Handlungen, die man Sakramentalien nennt. Bei den Sakramentalien handelt es sich überwiegend um Segnungen von Personen oder Gegenständen. Weiter kennt die katholische Kirche ein vielfältiges Frömmigkeitsleben, das sich in vielen Andachtsformen, Wallfahrten und regionalen Ausdrucksformen zeigt. Hier spielt die Verehrung von Heiligen und besonders die Marienverehrung eine große Rolle. Kein Katholik ist jedoch zur Heiligenverehrung verpflichtet.
Das Wallfahrtswesen zeigt sich in vielfältiger Form. Es entstand durch die Übernahme der Kultur der jüdischen Reisen nach Jerusalem zu den Zeiten der Pilgerfeste, in deren Abwandlung nun auch Christen ins Heilige Land reisten. Weitere Wallfahrtsorte von besonderer Bedeutung sind die Gräber der Apostel Petrus und Paulus in Rom, das Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela, die Stätten des Heiligen Landes aber auch die in den letzten 200 Jahren entstandenen Marienwallfahrtsorte in Lourdes in Frankreich und Fatima in Portugal. Regional gibt es dazu viele Wallfahrtsorte, die entweder ganzjährig oder zu bestimmten Zeiten aufgesucht werden. In Deutschland sind Beispiele für traditionelle Wallfahrten die alle sieben Jahre stattfindende Wallfahrt zu den Heiligtümern im Aachener Dom, die in unregelmäßigen Abständen stattfindenden Wallfahrten zum Heiligen Rock im Dom zu Trier oder z.B. die Wallfahrten nach Altötting. Weltweit gibt es unzählige Wallfahrtsorte. Überregional bedeutende Wallfahrten finden nach Guadelupe in Mexiko, nach San Giovanni Rotondo in Italien, nach Aparecida in Brasilien, nach Tschenstochau in Polen, Assisi, Padua und Loretto in Italien, statt. Auch Österreich kennt mit Mariazell einen bedeutenden Wallfahrtsort.
Mit zur Vielfalt der katholischen Kirche und ihrer Lebensvollzüge tragen auch die verschiedenen Orden bei. Im Laufe der Kirchengeschichte haben sich sehr unterschiedliche Gemeinschaften von Frauen und Männern herausgebildet, die heute unter der Sammelbezeichnung „Ordensgemeinschaften“ zusammengefasst werden. Gemeinsame Strukturelemente bilden das Leben in Gemeinschaft (communio), die Bindung an Gott und die Gemeinschaft durch Gelübde (consecratio) und eine Sendung zum Dienst in der Kirche und an den Menschen (missio). Ordensleute leben nach den sogenannten evangelischen Räten (Armut, Keuschheit, Gehorsam). Diese stellen grundlegende Werte oder Tugenden des Ordenslebens dar und prägen als solche die Lebenshaltung, den Lebensstil und das Engagement von Ordensleuten und werden als prophetisches Zeichen für das Anbrechen des Reiches Gottes verstanden. Die Entscheidung für ein Leben gemäß diesen Prinzipien ist zugleich von Freiwilligkeit und Verbindlichkeit geprägt.
Die katholischen Orden gehen auf die monastische Bewegung zurück. Der bekannteste Mönchsvater im Abendland ist Benedikt von Nursia, der mit seiner Regel die Grundlagen für monastisches Leben im Abendland legte. Im Laufe der Zeit hat sich eine Vielzahl von Orden entwickelt, wie die sogenannten Bettelorden, Predigerorden, Schulorden, Krankenpflegeorden, Seelsorge- und Missionsgemeinschaften und viele andere. Bei aller Vielfalt kann man grundlegend zwischen aktiven und kontemplativen Orden unterscheiden: Während die aktiven Orden in allen gesellschaftlichen Bereichen tätig sind, suchen die kontemplativen Orden Ruhe und Zurückgezogenheit.
Hinzu gekommen sind die sogenannten neuen Geistlichen Bewegungen, die meist nach dem letzten Konzil entstanden sind. Die Bandbreite reicht hier von einer ideellen Verbundenheit und gelegentlichen Zusammenkünften der verstreut lebenden Mitglieder über kleinere Wohngruppen mit Berufstätigkeit an unterschiedlichen Stellen bis hin zu großen Konventen, bei denen die Ordensleute unter einem Dach leben, beten und arbeiten. In Deutschland gibt es mit der Deutschen Ordensoberenkonferenz einen Zusammenschluss der Orden.
Ethik
Die katholische Morallehre identifiziert das Gute mit Gott und seiner Ordnung, die der Schöpfung eingeschrieben ist und in Christus erfüllt und vervollkommnet wurde. Von der Schöpfungsordnung handelt die Lehre vom „sittlichen Naturgesetz“. Der christliche Glaube verleiht ihr besonderen Nachdruck, indem er diese Ordnung des sittlichen Naturgesetzes auf den Schöpfer zurückführt, der das Gesetz in jedes Menschen Herz geschrieben hat, was freilich Trübungen infolge der Sünde oder der kulturellen Verhältnisse nicht ausschließt. Das bedeutet, dass die Grundnormen der politischen und gesellschaftlichen Ordnung nicht auf menschlicher Übereinkunft basieren, sondern objektiven Charakter haben: Wenn die Kirche für eine solidarische Wirtschaftsordnung, den Schutz der Ehe, das unbedingte Lebensrecht des Embryos eintritt oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften ablehnt, verkündet sie nicht eine konfessionelle Position, sondern beansprucht, die objektiven Normen des Gemeinwohls darzulegen. Widersprechen staatliche Gesetze dem sittlichen Naturgesetz, so verpflichten sie nicht im Gewissen.
Die katholische Tradition unterscheidet zwischen Todsünden und lässlichen Sünden. Zur Todsünde wird eine Tat durch drei Faktoren: wenn sie „eine schwerwiegende Materie zum Gegenstand hat und dazu mit vollem Bewusstsein und bedachter Zustimmung begangen wird“ (KKK 1857).
Wegen der großen Bedeutung des rechten Handelns besitzt das Lehramt der Kirche die Vollmacht, auch in moralischen Fragen den Gläubigen verbindliche Weisung zu geben und eine Lehre „definitiv als verpflichtend“ zu verkünden. Ausdrücklich wird die Meinung zurückgewiesen, „als würde sich die Zugehörigkeit zur Kirche und deren innere Einheit allein durch den Glauben entscheiden, während man in Sachen Moral einen Pluralismus von Anschauungen und Verhaltensweisen dulden könnte, je nach Urteil des individuellen subjektiven Gewissens bzw. der Verschiedenheit der sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen“ (Veritatis splendor, VS 4).
Katholische Christen sind deshalb verpflichtet, im Bereich der Moral „die Lehren des Lehramtes zu befolgen“ (VS 112). Das Lehramt tut dabei „der Gewissensfreiheit der Christen keinerlei Abbruch: nicht nur, weil die Freiheit des Gewissens niemals Freiheit ‚von’ der Wahrheit, sondern immer und nur Freiheit ‚in’ der Wahrheit ist, sondern auch weil das Lehramt an das christliche Gewissen nicht ihm fremde Wahrheiten heranträgt, wohl aber ihm die Wahrheiten aufzeigt, die es bereits besitzen sollte“ (VS 64).
Die katholische Soziallehre ist jünger als die Moraltheologie. Erst die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts lenkte den Blick auf die strukturellen Probleme. Aus der Tugend der „Gerechtigkeit“ wurde die Systemkategorie „soziale Gerechtigkeit“.
Für die Arbeit vor Ort mit ihrem Dreischritt „Sehen, Urteilen, Handeln” bietet das Lehramt eine dreifach abgestufte Orientierung: Es formuliert „Leitprinzipien” für den Aufbau der gesellschaftlichen Ordnung, „Urteilskriterien” im Blick auf einen Problembereich und „Richtlinien für das konkrete Handeln”. Die Kompetenz des Lehramtes nimmt dabei von oben nach unten ab, die der Laien mit ihrem Sachverstand zu. Die Pfeiler des sozialethischen „Lehrgebäudes” sind die aus der christlichen Sicht der Person abgeleiteten „Sozialprinzipien”, das Personprinzip, das Solidaritätsprinzip und das Subsidiaritätsprinzip. Sie sollen notwendigerweise die richtige Sicht der Gesellschaft vermitteln.
Die befreiungstheologische „Option für die Armen” wird vom Lehramt geteilt; abgelehnt wird aber die Gesellschaftsauffassung der Befreiungstheologie und ihr Verständnis vom Primat der Praxis vor der Theorie.
Ökumene
Das letzte Zitat bezeugt einen grundlegenden Wandel in der Einstellung der katholischen Kirche zu den anderen christlichen Kirchen: Statt einer vollkommenen Identifikation der Kirche Jesu Christi mit der römisch-katholischen Kirche öffnet es Räume zur Anerkennung des Kircheseins außerhalb der verfassten Kirche. Von diesem Selbstverständnis her sieht die katholische Kirche in den Spaltungen der Christenheit Wunden und Mängel, die die Überzeugungskraft ihrer Sendung beeinträchtigen. Durch die Taufe und den Glauben an das in der Heiligen Schrift überlieferte Wort Gottes weiß sie sich in einer wahren, wenn auch nicht vollkommenen Gemeinschaft mit denen verbunden, die in den von ihr getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften auf dem Weg des Heiles sind (vgl. LG 8 und UR). Die römisch-katholische Kirche hat sich mit dem II. Vatikanischen Konzil unumkehrbar zur Ökumene verpflichtet und strebt die Wiederherstellung der vollen und sichtbaren Einheit der Christen an (siehe „Unitatis Redintegratio“ (UR) und die zum 30. Jahrestag von UR veröffentlichte Enzyklika „Ut unum sint“). Sie führt auf internationaler Ebene bilaterale Dialoge mit Altkatholiken, Anglikanern, der Assyrischen Kirche des Ostens, Baptisten, Disciples of Christ, Evangelikalen, der Heilsarmee, Lutheranern, Mennoniten, Methodisten, Orthodoxen, Orientalisch-Orthodoxen, Pentekostalen und Reformierten (in alphabetischer Reihenfolge). Die römisch-katholische Kirche ist nicht Mitglied im Ökumenischen Rat der Kirchen, aber arbeitet an verschiedenen Stellen eng mit dem ÖRK zusammen, u.a. als Vollmitglied in dessen Kommission für Glauben und Kirchenverfassung, und schickt Beobachter zu Vollversammlungen.
Martin Bräuer
gegengelesen von Johannes Oeldemann