Ordination/Weihe

Überblick

Das Wesen des kirchlichen Amtes ist der Dienst Jesu Christi. Bereits in der Aussendung der Apostel und Jünger sowie in den Erscheinungen des Auferstandenen zeigt sich im Neuen Testament, dass Jesus Christus Menschen in seinen Dienst nimmt, die mit ihm und durch seinen Ruf Kündende der Frohbotschaft vom Reich Gottes werden. Seit diesem Ursprung entwickelt sich in den ersten beiden Jahrhunderten eine Ausprägung verschiedenster geistlicher Ämter und Dienste, die schon in den Spätschriften des Neuen Testaments und in der nachapostolischen Literatur durch Handauflegung und Gebet zur Indienstnahme charakterisiert werden. Seither gehört das an die Ordination / Weihe gebundene geistliche Amt zum Wesen der Kirche.
So sehr man in nahezu allen Kirchen darin übereinstimmt, dass es ein besonderes Amt braucht, sind diese über spezifische Ausgestaltungen des Amtes, seine Aufgaben und das Verhältnis von Amt und Gemeinde uneins. Diese verschiedensten Auffassungen sind bis heute kirchentrennend. Ein Grunddissens besteht zwischen Kirchen, die im Amt kein Sakrament sehen und die Lehre vom historischen Bischofsamt ablehnen (das sind z.B. Reformierte, Baptisten und andere Freikirchen). Kirchen aus vorreformatorischer Tradition (nämlich Katholiken, Orthodoxe, Orientalisch-Orthodoxe, AnglikanerAltkatholiken) sind hingegen überzeugt, dass das geistliche Amt sakramentalen Charakter hat, sich in drei Stufen (Bischof, Priester, Diakon) gliedert und mit entsprechenden Vollmachten und Strukturen zum Wesen der Kirche und zur verbindlichen Glaubenslehre gehört.
Das II. Vatikanische Konzil (1962-65) der römisch-katholischen Kirche erklärt in der Kirchenkonstitution „Lumen gentium“ (LG) das Weihesakrament (ordo) als kirchliches Dienstamt „aus göttlicher Einsetzung [...] in verschiedenen Ordnungen“, das von jenen ausgeübt wird, „die schon seit alters Bischöfe, Priester, Diakone heißen“ (LG 28). Damit korrigierte man unklare Aussagen des Konzils von Trient (1545-63) und klärte, dass es nur ein Weiheamt gibt, das mit drei Weihestufen seine Vollgestalt im Bischofsamt hat. Priester und Diakone, ebenfalls geweiht, sind Ausgliederungen aus „der Ganzheit des heiligen Dienstamtes“ (LG 20) des Bischofs mit geringeren Kompetenzen. „Die Bischofsweihe überträgt mit dem Amt der Heiligung auch die Ämter der Lehre und der Leitung“ (ebd.; vgl. LG 19-21). Der Bischof vergegenwärtigt in sakramentaler Weise Christus als Haupt seiner Kirche und leitet die Ortskirche (Diözese); Priester und Diakone, kraft der Weihe ebenfalls Vertreter Christi, sind dem Bischof als Mitarbeiter zugeordnet. Um die Weitergabe der Lehre der Apostel (Apostolizität) zu wahren, wird die Weihe mit den Zeichen der apostolischen Sukzession qua Handauflegung und Weihegebet übertragen. Der Papst, als Nachfolger des hl. Petrus Bischof von Rom, ist zugleich das Haupt aller Bischöfe und mit ihnen gesamtkirchlich kollegial verbunden. Nach katholischer Lehre wohnt jedem Weiheamt kraft des Hl. Geistes ein unauslöschliches Prägemal (character indelebilis) inne (vgl. LG 21).
In den Kirchen aus der Reformation (Lutheraner, Reformierte, unierte Landeskirchen und einige Freikirchen) steht das Amt im Kontext des „Allgemeinen Priestertums aller Gläubigen“, denn allen ist aufgetragen, Gottes Wort zu verkünden und die Sakramente zu feiern. Dennoch braucht es das ordinationsgebundene Amt, ein öffentliches, geistliches Dienstamt zur Verkündigung des Wortes Gottes und zur Verwaltung der Sakramente, das dem Aufbau der Gemeinde dient. Gemäß dem Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana - 1530) verdankt es sich jedoch nicht einer Delegation aus dem Gemeindewillen, sondern der göttlichen Sendung und Einsetzung „rite vocatus“ (CA XIV), d.h. der „ordentlichen Berufung“ qua Ordination. Diese gilt als Bestätigung der inneren Berufung durch Christus, als Anerkennung der Befähigung und Ausbildung sowie als Beauftragung durch die Gemeinde/Kirche. Unter Anrufung des Hl. Geistes wird die Ordination durch Auflegung der Hände erteilt. Sie ist ein geistlicher und rechtlicher Akt, unwiederholbar und geschieht auf eine konkrete Gemeinde hin. Ordinierte verpflichten sich umgekehrt, ihren Dienst gemäß dem Auftrag Christi in der Verkündigung des Wortes Gottes getreu der Hl. Schrift sowie in Bindung an die altkirchlichen und reformatorischen Bekenntnisse zu erfüllen. In den reformatorischen Kirchen zählt die Ordination nicht zu den Sakramenten. Die Begriffe „Weihe/consecratio“ und „unauslöschliches Merkmal/character indelebilis“ werden in den reformatorischen Amtsaussagen vermieden. Die apostolische Sukzession wird nicht primär auf die Weitergabe der Amtsvollmacht, sondern als successio fidei auf die Treue im Glauben bezogen. Auch eine hierarchische Stufung verschiedener Ämter gibt es in den reformatorischen Kirchen nicht. Pfarrer und Bischöfe (auch Superintendenten, Kirchenpräsidenten etc.) gelten theologisch als gleichrangig; alle üben das eine Amt der Kirche Christi in unterschiedlichen Funktionen aus. Zum Amt werden Männer und Frauen ordiniert. Der Bischofstitel ist lediglich eine Frage der Bezeichnung. In den lutherischen Kirchen Skandinaviens blieb das historische Bischofsamt erhalten. Bischöfe und Bischöfinnen werden dort mit eigenem Ritus in ihr Amt eingeführt. Gleiches gilt auch für die Selbständige Evangelisch-Lutherische-Kirche (SELK).
Strittig zwischen verschiedensten Kirchen ist die Frauenordination. Ostkirchen, römisch-katholische Kirche, katholische Ostkirchen, die SELK sowie einige wenige andere lutherische Kirchen kennen keine Weihe bzw. Ordination von Frauen. In den meisten Kirchen der Reformation, bei Anglikanern, Altkatholiken und etlichen Freikirchen hat sich die Frauenordination seit den 20er Jahren des 20. Jh. durchgesetzt. Während die einen die Berufung von Frauen ins ordinierte Amt als mit der Tradition des apostolischen Glaubens unvereinbar ablehnen, sehen andere die Frauenordination als mit der Tradition ihrer Kirche vereinbar an.
Als gemeinsame Überzeugung der meisten Kirchen lässt sich festhalten, dass das kirchliche Amt der öffentlichen Verkündigung des Evangeliums in Wort und Sakrament von Gott gewollt und geordnet ist, und somit Ordination und Amt zum Sein der Kirche gehören. Dies zeigt sich in verschiedenen bilateralen und multilateralen Dialogdokumenten, die versuchen, Konvergenzen zwischen den Kirchen zu finden. Die wichtigsten werden kurz vorgestellt.
Am weitesten reicht die Konvergenzerklärung der „Kommission für Glauben und Kirchenverfassung“ des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK)„zu „Taufe, Eucharistie und Amt“ (1982, auch bekannt als „Lima-Dokument“). Im 3. Teil erzielt es eine repräsentative ökumenische Übereinstimmung zu Amt, Weihe und Ordination, da hier eine große Bandbreite von Kirchen mitwirkte (protestantische, anglikanische, orthodoxe, katholische). Auf dem Weg zur gegenseitigen Anerkennung der Ämter versucht man kirchentrennende Positionen auszugleichen. Vertiefend wirkten dabei christologische und pneumatologische Konvergenzaussagen, die den dienenden Charakter des geistlichen Amtes betonen: „Um ihre Sendung zu erfüllen, braucht die Kirche Personen, die öffentlich und ständig dafür verantwortlich sind, auf ihre fundamentale Abhängigkeit von Jesus Christus hinzuweisen und die dadurch innerhalb der vielfältigen Gaben einen Bezugspunkt ihrer Einheit darstellen“ (Lima, Amt Nr. 8, in: DwÜ I, 569). Das Lima-Dokument knüpft hier an die Ursprünge der Kirche an: „Indem sie einige ihrer Glieder im Namen Christi durch die Anrufung des Geistes und die Handauflegung zum Amt ordiniert [...], sucht die Kirche die Sendung der Apostel weiterzuführen und deren Lehre treu zu bleiben“ (Amt Nr. 39, ebd. 581). Insofern ist die Ordination ein Handeln Gottes und der Gemeinschaft sowie ein Geschenk des Geistes (vgl. Amt Nr. 40, ebd.). Man wirbt für eine gegenseitige Anerkennung der Ämter und will Kirchen unterschiedlicher Auffassung zu gegenseitigen Anerkennungen mit öffentlichen Zeichen der Einheit motivieren (vgl. Amt Nr. 51-55, ebd. 584f.).
Die Meißener Erklärung („Meißener Gemeinsame Feststellung“ 1988), an der die EKD, der Bund der evangelischen Kirchen in der DDR und die Kirche von England beteiligt waren, feierlich unterzeichnet in London am 29. Jan. 1991, erklärt eine wechselseitige Anerkennung der Beteiligten als Kirche sowie eine Anerkennung der ordinierten Ämter. Keine endgültige Einigung konnte für viele Anglikaner in der Frage der historischen Sukzession des Bischofsamtes erzielt werden (vgl. DwÜ II, 732-748).
Die Porvoo-Erklärung lutherischer und anglikanischer Kirchen auf europäischer Ebene formulierte 1992 in Porvoo (Finnland) einen Konsens im Glauben und die gegenseitige Anerkennung als Kirche Jesu Christi. Zum historischen Bischofsamt wird erklärt: „Kontinuität in der apostolischen Sukzession findet ihren zeichenhaften Ausdruck in der Ordination oder Weihe eines Bischofs [...] Durch die Handauflegung mit Gebet wird einerseits eine von Gott schon gegebene Gnadengabe anerkannt und bekräftigt; andererseits wird sie für den Dienst vollendet“ (Nr. 47, DwÜ II, 771). Vier Wirkweisen werden dabei sichtbar: die „Treue Gottes gegenüber seinem Volk“; die Treue des Volkes gegenüber der Initiative Gottes in der „Kontinuität des apostolischen Glaubens“ und dessen Tradition; schließlich die „Katholizität der Kirche“ durch die Handauflegung mehrerer Bischöfe und die Übertragung des geistlichen Amtes in Übereinstimmung mit Gottes Willen (vgl. ebd. Nr. 48).
Ein Versuch, sich einer gegenseitigen Anerkennung der Ämter anzunähern, ist die Studie „Das geistliche Amt in der Kirche“ (1981) zwischen dem Lutherischen Weltbund und dem Vatikan. Die Dialogpartner erwarten für die Zukunft die wechselseitige Anerkennung, „dass das Amt in der anderen Kirche wesentliche Funktionen des Amtes ausübt, das Jesus Christus seiner Kirche eingestiftet hat und das man in der eigenen Kirche in voller Weise verwirklicht glaubt“; dies „würde die Aussage einschließen, dass der Heilige Geist in der anderen Kirche auch durch deren Ämter wirkt und diese […] als Mittel des Heils benützt“ (Nr. 85, DwÜ I, 356).

Petro Müller

 


Literatur

  • Dokumente wachsender Übereinstimmung (DwÜ). Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene, 5 Bde., Pb u.a. 1983-2022.
  • Frieling, Reinhard. Amt (Bensheimer Hefte 99), Göttingen 2002.

 

 

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