Ehe

Definition

Eine Ehe ist die auf Dauer angelegte freiwillige Lebensgemeinschaft von Mann und Frau – so lässt sich die klassische kirchliche Lehre in einem Satz zusammenfassen. Die Ehe gilt als von Gott gewollt und ist an vielen Stellen biblisch belegt, angefangen bei 1. Mose 2. Die grundsätzliche Bereitschaft, Nachkommen zu zeugen und aufzuziehen gehört zum klassischen Eheverständnis dazu.
 


Das Verständnis der Ehe in den verschiedenen Konfessionen

Direkt jenseits dieser Grundlagen beginnt die konfessionelle Differenzierung. Die katholische Kirche sieht die Ehe als Sakrament, welches sich die Ehepartner unter Beteiligung eines Geistlichen gegenseitig spenden. Vergleichbar wird die Ehe in den orthodoxen Kirchen als Sakrament bzw. Mysterion bezeichnet, wobei dieses allerdings durch den Priester gespendet wird.

Es gibt in der katholischen Kirche ein separates kirchliches Eherecht und eine entsprechende Gerichtsbarkeit in jedem Bistum. Da eine gültig geschlossene Ehe nach katholischer Lehre ausschließlich durch den Tod eines Partners enden kann, ist die einzige kirchenrechtliche Möglichkeit der Trennung die Annullierung über ein Ehenichtigkeitsverfahren. In diesem Verfahren muss nachgewiesen werden, dass die Ehe z.B. unter falschen Voraussetzungen (z.B. unter Zwang oder ohne ausreichende persönliche Reife eines Ehepartners) geschlossen wurde oder nicht ordnungsgemäß vollzogen wurde. Wer als katholischer Christ ohne solch ein Verfahren nach einer (weltlichen) Scheidung ein zweites Mal standesamtlich heiratete, wurde lange Zeit von den Sakramenten ausgeschlossen. Erst in den letzten Jahren gibt es die Möglichkeit, dass wiederverheiratete Geschiedene unter Umständen z.B. die Kommunion empfangen können.
In den Ostkirchen ist eine Auflösung der Ehe durch den Bischof beim Vorliegen schwerwiegender Gründe (z.B. Ehebruch) möglich – und in dieser Konsequenz auch eine erneute kirchliche Eheschließung. Dies hat noch eine weitere praktische Relevanz, als nach orthodoxem Verständnis die Ehe auch nach dem Tod eines Ehepartners fortdauert. Eine erneute Eheschließung erfolgt nach einem einfacheren Ritus und hat zudem einen Bußcharakter.

Ähnlich gehen die evangelischen Landeskirchen beim Thema Wiederverheiratung (z.B. nach einer weltlichen Scheidung) vor: Diese ist als Ausnahme grundsätzlich möglich, bedarf aber einer seelsorglichen Begleitung, so dass nach Buße und Vergebung ein neuer Anfang möglich ist.

Insgesamt ordnen die evangelischen Kirchen die Ehe dem weltlichen Handeln Gottes zu. Die staatliche Rechtssetzung wird als Rahmen akzeptiert, so dass es den evangelischen Kirchen auch einfacher möglich ist, gesellschaftliche Veränderungen zu akzeptieren, wenn diese in staatliches Recht eingeflossen sind. Im Gegensatz zur katholischen Kirche in Deutschland tat sich die EKD daher 2017 nicht so schwer damit, die vom Deutschen Bundestag beschlossene „Ehe für alle“ zu akzeptieren, auch wenn innerhalb der Landeskirchen noch viele Diskussionen bezüglich der Akzeptanz homosexueller Partnerschaften geführt werden.
 


Die Ehe als ökumenisches Problem

Solange beide Brautleute der gleichen Konfession angehören, ist weder die Eheschließung selber noch die Ehe ein ökumenisches Thema. Doch schon in früheren Zeiten, als die Menschen zumeist in monokonfessionell geprägten Regionen lebten, kam es immer wieder vor, dass Liebespaare über Konfessionsgrenzen hinweg zusammenfanden. Dies galt es nach kirchlicher Auffassung möglichst zu verhindern - und auch für die Familien war eine Partnerschaft über Konfessionsgrenzen meist kaum akzeptabel. Die Konversion eines Partners (in der Regel hin zu der am Ort mehrheitlich vertretenen Konfession) war zunächst die einzige Möglichkeit, diesen Makel zu heilen – andernfalls drohte der Bruch des Paares mit beiden Kirchen.

In Deutschland bürgerte sich für Konfessionsgrenzen überschreitende Ehen zunächst der Begriff „Mischehe“ ein – in anderen Sprachräumen ist er bis heute vertreten (z.B. „mixed marriages“ bzw. „foyer mixtes“). Aufgrund der Nutzung des Begriffs „Mischehe“ auch im rassischen Kontext durch die Nationalsozialisten setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland stattdessen der neutralere Begriff „konfessionsverschiedene Ehe“ durch. Nach der konfessionellen Durchmischung der meisten deutschen Landesteile durch die Ansiedlung von Flüchtlingen nahm die Zahl der konfessionsverschiedenen Ehen langsam zu – und nach der ökumenischen Öffnung der katholischen Kirche durch das Zweite Vatikanische Konzil verloren diese Ehen auch langsam ihren ‚Schrecken‘. Rein statistisch ist heute mehr als jede dritte kirchlich geschlossene Ehe in Deutschland konfessionsverschieden – der Anteil liegt in einzelnen Bistümern bzw. Landeskirchen über 40%.

 Trotz dieser Entwicklung werden diese Ehen seitens beider Konfessionen immer noch eher als seelsorglicher Problemfall gesehen - die Kirchenleitungen tun sich bis heute schwer, diese Ehen als Chance für die Ökumene zu begreifen, denn so könnten aus vielen konfessionsverschiedenen Paaren konfessionsverbindende Paare und Familien werden.
Schon heute gilt: Wenn zwei Menschen unterschiedlicher Konfession, die in ihrer jeweiligen Kirche beheimatet und aktiv sind, eine Ehe eingehen, kann man von einer „konfessionsverbindenden Ehe“ sprechen. Dieser Begriff beinhaltet den Dienst, den dieses Paar für die Ökumene (und die jeweiligen Kirchen) leisten: Die Ehe verbindet Konfessionen. Sie lehnt die Konfessionen nicht ab (da die Ehepartner diese selber als wichtig erachten), aber sie weist über die Begrenztheit der jeweiligen Konfessionen hinaus auf Jesu Auftrag für das gemeinsame Zeugnis der Kirchen in der Welt: „Alle sollen eins sein […] damit die Welt glaubt“ (Joh 17, 21).
 


Die Herausforderungen einer konfessionsverschiedenen Ehe

Konfessionsverschiedene Ehen stehen kirchlich vor vielen Herausforderungen, die sich an den Wendepunkten des Lebens (wie Taufe, Erstkommunion, Firmung, Konfirmation) besonders manifestieren, aber auch tief in den Alltag hineinreichen. Es beginnt schon bei der Feier der Trauung, für die es nur im Südwesten Deutschlands mit dem sog. Formular C eine echte ökumenische Liturgievariante gibt. Überall sonst muss sich das Paar für eine evangelische Trauung unter Mitwirkung eines katholischen Geistlichen oder umgekehrt für eine katholische Trauung unter Mitwirkung eines evangelischen Geistlichen entscheiden. Ungeachtet dessen kann man (bei entsprechender Bereitschaft der beteiligten Geistlichen) einen ökumenisch geprägten Traugottesdienst gestalten – kirchenrechtlich aber gibt es nur ein Entweder-Oder.

Noch strikter ist die Regelung bei der Frage der Taufe der gemeinsamen Kinder. Da mit der Taufe auch die förmliche Aufnahme in die jeweilige Kirche verbunden ist, gibt es hier kirchenrechtlich keinen Spielraum für Ökumene – die Eltern müssen sich für eine Konfession entscheiden. Ein konfessionsverbindendes Paar kann dieses höchstens für sich als Familie insofern aufweichen, als es – sofern mehrere Kinder geboren werden – diese Kinder in unterschiedlichen Konfessionen taufen lässt. Durch die von elf Kirchen (darunter EKD und römisch-katholische Kirche) gemeinsam verabschiedete Magdeburger Erklärung 2007 ist immerhin sichergestellt, dass die Taufen heute wechselseitig anerkannt werden.
Der familiäre Alltag ist stark durch die Frage geprägt, in welcher Gemeinde Gottesdienste besucht werden bzw. man aktiv wird. Dies kann von praktischen Faktoren abhängen (z.B. Erreichbarkeit und Gottesdienstzeiten der jeweiligen Kirchen), ist vor allem aber davon bestimmt, inwiefern sich das Paar willkommen geheißen fühlt. Dabei wird auch die Frage relevant, ob eine vollständige Teilnahme am Gottesdienst (inkl. Abendmahl/Kommunion) möglich ist oder nicht. Zu diesem Dauerthema, welches für viele konfessionsverbindende Paare auch mit schmerzlichen Erfahrungen besonders für den evangelischen Partner bei der Frage der Teilnahme an der katholischen Eucharistiefeier verbunden ist, gibt es seit wenigen Jahren in den meisten Diözesen Deutschlands endlich eine Klärung: Der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz verabschiedete am 26.06.2018 die Orientierungshilfe „Mit Christus gehen – Der Einheit auf der Spur. Konfessionsverbindende Ehen und gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie“. Sie greift theologisch das Bild der „Hauskirche“ auf, welches gerade für viele konfessionsverbindende Ehepaare eine wichtige Rolle spielt: „Die Eheleute sind nicht nur durch die Taufe, sondern auch durch das Sakrament der Ehe miteinander verbunden. Schon das Zweite Vatikanische Konzil hat die Gemeinschaft von Ehe und Familie als ‚eine Art Hauskirche‘ bezeichnet. […] Keine Kirche kann aber ohne Eucharistie sein.“ Die – ansonsten vor allem pastoral argumentierende – Orientierungshilfe sieht vor, dass konfessionsverbindende Paare nach einem seelsorgerlichen Gespräch selber entscheiden können, ob der evangelische Partner an der katholischen Eucharistie teilnimmt. Entscheidend ist hierbei der Paradigmenwechsel von einer durch die Kirchenleitung zu erteilenden Erlaubnis hin zur verantworteten Gewissensentscheidung des betroffenen Ehepaars, die von der Kirche zu akzeptieren ist – und sogar mehr noch: Für die katholische Kirche wird es „ein ‚Grund zur Freude‘ (UUS 46, EdE 46) sein, ihnen das Sakrament der Eucharistie zu reichen. In diese Freude wollen wir deutschen Bischöfe einstimmen und daher ein ausdrückliches Wort des Willkommens für all diejenigen ausdrücken, die diesen Weg gehen.“ 

Die Orientierungshilfe ist mittlerweile in drei Vierteln der deutschen Bistümer von den jeweiligen Bischöfen in Kraft gesetzt worden. 
Eine konfessionsverschiedene Ehe zwischen einem orthodoxen und einem katholischen oder evangelischen Partner steht vor noch größeren Herausforderungen als bei evangelisch-katholischen Paaren, da insgesamt viele orthodoxe Kirchen in der Ökumene zurückhaltender als andere Kirchen agieren. Daher müssen sich die Paare in der Regel klar für eine orthodoxe oder nicht-orthodoxe Trauung entscheiden – eine Mitwirkung eines Geistlichen der jeweils anderen Konfession ist nur sehr eingeschränkt möglich. Immerhin gibt es seit 2002 zwischen der EKD und den orthodoxen Kirchen in Deutschland sowie seit 2009 zwischen der EKD und den orientalisch-orthodoxen Kirchen in Deutschland Vereinbarungen und Handreichungen, die 2012 gesammelt als Broschüre „Ehen zwischen evangelischen und orthodoxen bzw. orientalisch orthodoxen Christen und Christinnen. Hinweise für die pfarramtliche Praxis“ erschienen sind und in denen Vorschläge für eine gegenseitige Mitwirkung gemacht werden. Einzelne orthodoxe Geistliche tun sich schwer damit, eine in einer evangelischen oder katholischen Kirche geschlossene Ehe anzuerkennen – teilweise wird dann auf eine zweite kirchliche Trauung nach orthodoxem Ritus gedrängt. Der gemeinsame Eucharistieempfang ist konfessionsverschiedenen Paaren mit einem orthodoxen Partner in der Regel nicht möglich, da weder der nichtorthodoxe Partner zur Eucharistie in der orthodoxen Kirche zugelassen ist noch dem orthodoxen Partner eine legale Möglichkeit offensteht, an einer nichtorthodoxen Abendmahlsfeier teilzunehmen. 

Herbert Heinecke
 


Literatur

Hell, Silvia: Die konfessionsverschiedene Ehe. Vom Problemfall zum verbindenden Modell, Freiburg i.Br. 1998.

Internetquellen:

Website des Netzwerks Ökumene – konfessionsverbindende Paare und Familie in Deutschland: netzwerk-oekumene.de


 
Zurück