Lutherischer Weltbund

Einleitung

 

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist ein weltweiter Zusammenschluss von 149 Kirchen in der lutherischen Tradition. Er wurde 1947 gegründet und vertritt heute über 77 Millionen Christinnen und Christen. Laut seiner Verfassung ist der LWB „eine Gemeinschaft von Kirchen, die sich zu dem dreieinigen Gott bekennen, in der Verkündigung des Wortes Gottes übereinstimmen und in Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft verbunden sind.“

 


Kurzer geschichtlicher Überblick

Im August 1923 kam der Lutherische Weltkonvent in Eisenach zusammen. Eine wesentliche Initiative zu dem Treffen ging vom Nationalen Lutherischen Rat in den USA aus. Weitere Wurzeln lassen sich in der Allgemeinen Evangelisch-lutherischen Konferenz, einem Zusammenschluss von Theologen und Laien aus den deutschen lutherischen Landes- und Freikirchen, und in der lutherischen Zusammenarbeit in Skandinavien finden. Die Versammelten wollten die Verbundenheit innerhalb des weltweiten Luthertums stärken und nach gemeinsamen Antworten in theologischen und missionarischen Fragen suchen. In den Referaten, Gottesdiensten und Redebeiträgen wurde immer wieder deutlich, dass weitere Treffen gewünscht waren. So kam es zu weiteren Begegnungen: 1929 in Kopenhagen und 1936 in Paris. Insgesamt zeigt die Geschichte der Lutherischen Weltkonvente, dass bereits vom ersten Treffen an die Anwesenden mit der Frage zu ringen hatten, welchen Status und welche Verbindlichkeit dieses und zukünftige Treffen des weltweiten Luthertums haben sollten: unverbindliche Konferenz, freie Vereinigung oder fester Bund? Eine Frage, die das Luthertum noch lange begleiten sollte. 

Nach dem 2. Weltkrieg konnte sich schließlich der Lutherische Weltbund in fester Organisationsform gründen. Vom 30. Juni bis 6. Juli 1947 kamen in Lund (Schweden) nicht mehr nur lutherische Einzelpersonen zusammen, sondern 47 lutherische Kirchen sandten 200 offizielle Delegierte: Delegierte, die zwar durch das gleiche Bekenntnis verbunden waren, jedoch aus völlig unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten kamen. Viele wurden aus Ländern entsandt, die kurz zuvor noch gegeneinander Krieg geführt hatten. Die Kirchen außerhalb Europas und Nordamerika waren zahlenmäßig noch kaum vertreten, ebenso wenige Frauen.

Zu den eindrücklichsten Erfahrungen der Anwesenden gehörten die gemeinsamen Gottesdienstfeiern mit Abendmahlsgemeinschaft. Der wichtigste Beschluss dieser Ersten Vollversammlung war die Annahme einer Verfassung. In ihr wurden als Lehrgrundlagen des LWB festgehalten: die Heilige Schrift als die alleinige Quelle und unfehlbare Norm sowie die Lutherischen Bekenntnisschriften, insbesondere die unveränderte Augsburgische Konfession und Luthers Katechismus, als unverfälschte Auslegung des Wortes Gottes. Die Verfassung bestimmte zudem den LWB als „eine freie Vereinigung von lutherischen Kirchen“. Seitdem hat sich das Selbstverständnis des LWB signifikant weiterentwickelt, und auch das Verhältnis seiner Mitgliedskirchen untereinander intensivierte sich. So konnten in den folgenden Jahrzehnten die ekklesiologischen Debatten einer Neubestimmung des LWB zugeführt werden. Seit 1990 versteht er sich dezidiert als Gemeinschaft (communio) verbunden in Wort und Sakrament. Entsprechend trägt er den offiziellen Namen: Der Lutherische Weltbund – Eine Gemeinschaft von Kirchen.

 

Seit Lund 1947 hat in der Regel alle sechs bis sieben Jahre eine Vollversammlung des LWB stattgefunden. Sie ist das höchste Entscheidungsgremium des LWB. Weitere Organe sind der Rat, der/die hauptberufliche Generalssekretär/in und der/die ehrenamtliche Präsident/in. Genf ist Sitz des Büros der Kirchengemeinschaft

Das Deutsche Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes (DNK/LWB), das ebenfalls 1947 ins Leben gerufen wurde, vertritt die deutschen Mitgliedskirchen des LWB und stellt deren Beteiligung an der Arbeit des LWB sicher. Zudem unterstützt es die Programme und Projekte des LWB sowie die theologische Arbeit und die ökumenischen Dialoge aus Sicht des deutschen Luthertums. 

 


Zielsetzung und wichtigste Themen

Auch Zielsetzungen und Aufgabenbestimmung werden in der Verfassung des LWB klar benannt: „Der Lutherische Weltbund a. fördert die einmütige Bezeugung des Evangeliums von Jesus Christus und stärkt die Mitgliedskirchen bei der Erfüllung des Missionsauftrages und in ihrem Bemühen um die Einheit der weltweiten Christenheit; b. fördert weltweit unter den Mitgliedskirchen diakonisches Handeln, Linderung menschlicher Not, Frieden und Menschenrechte, soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung Gottes und gegenseitiges Teilen; c. fördert durch gemeinsame Studienarbeit die Gemeinschaft und das Selbstverständnis der Mitgliedskirchen und hilft ihnen, Aufgaben miteinander wahrzunehmen.“  Bereits in Lund wurde deutlich, dass es im LWB eben nicht nur um die innerlutherische Zusammenarbeit und theologische Reflexion gehen sollte, sondern auch der ökumenische Dienst an der universalen Kirche, die Mission und die diakonische Nothilfe waren zentrale Säulen der Gründungsidee. 

Entsprechend wurden die Arbeitsfelder ‚Flüchtlingshilfe‘, ‚kirchlicher Wiederaufbau‘ und ‚Hilfe für die Diaspora-/Minoritätskirchen‘, die 1952 mit der Zweiten Vollversammlung des LWB in Hannover wirkungsvoll in der Abteilung Weltdienst gebündelt wurden, wichtige Bausteine für das weitere Zusammenwachsen der Mitgliedskirchen. Heute unterstützt der LWB seine Mitgliedskirchen in ihrer Diakonie, beim lebendigen Zeugnis in den jeweiligen Kontexten sowie beim Austausch von Ressourcen und Knowhow. Der LWB-Weltdienst ist der zehntgrößte Implementierungspartner des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR und in 27 Ländern tätig.

Zudem bemüht sich der LWB kontinuierlich, die Einigkeit unter den Mitgliedskirchen in theologischen Fragen zu fördern und weitere ekklesiologische Klärungen herbeizuführen. Wurde in der Anfangszeit z. B. die Rechtfertigungslehre gemeinsam bearbeitet, wurden in jüngerer Zeit Studienprozesse zu „Lutherischer Hermeneutik“ und „Lutherische Identität(en)“ initiiert.

Bilaterale theologische Dialoge mit den anderen Weltgemeinschaften haben eine besondere Bedeutung in der ökumenischen Arbeit des LWB. In Lehrdialogen werden trennende Lehren oder Praktiken gemeinsam untersucht und deren bislang kirchentrennender Charakter zu überwinden versucht. Ein Meilenstein war 1999 die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre mit der Römisch-katholischen Kirche.

Diese kurze Beschreibung der Arbeitsfelder macht deutlich, wie zentral es für den LWB ist, Gemeinschaft zu sein und Gemeinschaft mit anderen zu suchen.

 


Relevante Zahlen, Daten und Fakten

Folgende Vollversammlungen haben bislang stattgefunden: 1947 in Lund (Motto: Die lutherische Kirche in der Welt von heute), 1952 in Hannover ( Das lebendige Wort in einer verantwortlichen Kirche), 1957 in Minneapolis (Christus befreit und eint), 1963 in Helsinki (Christus heute), 1970 in Evian (Gesandt in die Welt), 1977 in Dar es Salaam (In Christus – eine neue Gemeinschaft), 1984 in Budapest (In Christus – Hoffnung für die Welt), 1990 in Curitiba (Ich habe das Schreien meines Volkes gehört), 1997 in Hongkong (In Christus – zum Zeugnis berufen), 2003 in Winnipeg (Zur Heilung der Welt), 2010 in Stuttgart (Unser tägliches Brot gib uns heute!), 2017 in Windhoek (Befreit durch Gottes Gnade) und 2023 in Krakau (Ein Leib, Ein Geist, Eine Hoffnung).

1947 in Lund waren 47 Kirchen aus 26 Ländern offiziell vertreten. Im Jahr 2023 umfasst der LWB 149 Kirchen aus 99 Ländern. In dieser Entwicklung lässt sich eine Verschiebung der Mitgliederzahlen von Nord nach Süd beobachten. Die Äthiopische Evangelische Kirche Mekane Yesus ist mit über 10 Millionen Mitgliedern mittlerweile die weltweit größte Mitgliedskirche. In Deutschland gehören 11 Kirchen dem Lutherischen Weltbund mit ca. 10,6 Millionen Mitglieder an.

Weitere lutherische Kirchen, die in einer konservativen Auslegungstradition der Bekenntnisschriften stehen, haben sich im Internationalen Lutherischen Rat  (ILR) zusammengeschlossen, der sich als Verband bekenntnislutherischer Kirchen versteht. Als Mitglieder, assoziierte Mitglieder oder registrierte Organisationen sind im ILR nach eigenen Angaben 58 Kirchen und Diözesen verbunden (in Deutschland die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche). Einige dieser Kirchen sind zugleich Mitglieder im LWB. Die Webseite des Rates macht keine Angaben über die Zahl der Lutheranerinnen und Lutheraner, die er repräsentiert. Im Gegensatz zum LWB besteht beim ILR nicht notwendigerweise Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen den Mitgliedskirchen.

                                                                                                                    Oliver Schuegraf

 


Literatur

Schjørring, Jens Holger / Kumari, Prasanna / Hjelm, Norman (Hg.): Vom Weltbund zur Gemeinschaft. Geschichte des Lutherischen Weltbundes 1947-1997, Hannover 1997.

 

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