Baptisten und Brüdergemeinden/Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden

Gegenwärtige Situation

Der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) in Deutschland ist ein Zusammenschluss von derzeit 645 Baptistengemeinden, 129 Brüdergemeinden und drei Pfingstgemeinden (aus der Elim-Bewegung). Die Zahl der Gemeindemitglieder beträgt ca. 76.000, davon gehören ca. 9.000 den Brüdergemeinden an. Bei diesen Angaben muss man berücksichtigen, dass als Mitglieder nur mündig Getaufte gezählt werden – ungetaufte Kinder z.B. sind in dieser Statistik nicht erfasst. Der BEFG gehört in Deutschland zu den kleineren Kirchen, blickt man auf die Zahlen in Europa und weltweit, sieht dies allerdings anders aus. In der Europäischen Baptistischen Föderation, der der BEFG angehört, sind ca. 800.000 Gläubige aus 52 Ländern zusammengeschlossen. Der BEFG ist auch Mitglied im Baptistischen Weltbund, dem ca. 47 Millionen Baptisten aus 126 Ländern angehören.
Der BEFG in Deutschland hat den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er erhebt dennoch keine Kirchensteuern, sondern finanziert sich aus Spenden. Die zum Bund gehörenden Gemeinden sind durch ihren gemeinsamen Glauben, ihre Geschichte und überörtliche Strukturen auf Landes- und Bundesebene verbunden, behalten aber in allem ihre Selbständigkeit. Verbindliche Grundlage des Glaubens ist die Heilige Schrift. Als Glaubensbekenntnis der deutschsprachigen Baptisten wurde 1977/78 die „Rechenschaft vom Glauben“ verabschiedet. Hier werden gemeinsame Überzeugungen formuliert, ohne dass damit allerdings Glaubensinhalte verpflichtend vorgegeben würden.
Der BEFG verfügt über eine eigene theologische Ausbildungsstätte, die Theologische Hochschule Elstal – 1880 zunächst mit Sitz in Hamburg als Predigerseminar gegründet. 1878 wurde der J. G. Oncken-Verlag in Kassel gegründet. Zum BEFG gehören außerdem mehrere Diakoniewerke, die u.a. Krankenhäuser, Seniorenheime und Kindergärten betreiben. 
 


Geschichte

Der BEFG ging 1941 aus dem Zusammenschluss des Bundes der Baptistengemeinden in Deutschland mit dem Bund freikirchlicher Christen (Brüdergemeinden) hervor. Möglich wurde das, weil beide Bünde nicht unerheblich von der Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts geprägt waren, auch wenn ihre Entstehungsgeschichte unterschiedlich verlief und sie jeweils charakteristische theologische Schwerpunkte setzten.
Die ersten Baptistengemeinden entstanden Anfang des 17. Jahrhunderts innerhalb der puritanischen Bewegung in England, die gegen die anglikanische Staatskirche opponierte und deren Reinigung (daher der Name Puritaner) forderte. Sie standen in keiner direkten Verbindung zur kontinentalen Täuferbewegung der Reformationszeit. Aber auch bei ihnen setzte sich die Überzeugung durch, dass nur Erwachsene getauft werden dürften, die sich aus freien Stücken persönlich zu diesem Schritt entschieden haben. Aus der Opposition zur Staatskirche entwickelte sich die Ablehnung der bischöflichen Kirchenverfassung und die Forderung nach einer konsequenten Trennung von Kirche und Staat. Die Erfahrung, von der Obrigkeit diskriminiert und unterdrückt zu werden, führte die Baptisten außerdem schon früh dazu, sich für umfassende Religionsfreiheit einzusetzen. Die Verfolgung führte zu Migrationsbewegungen, zunächst in die USA. Dort konnten sich die Baptisten weit verbreiten und bilden heute die größte protestantische Kirche der USA. Ein amerikanischer Baptist war es, der die erste baptistische Taufe auf deutschem Boden vornahm. Am 22. April 1834 taufte Barnas Sears den deutschen Kaufmann Johann Gerhard Oncken* (1800-1884) und sechs Gleichgesinnte in der Elbe bei Hamburg. Oncken hatte längere Zeit in England gelebt, dort Kontakt zu Methodisten gehabt und in diesem Zusammenhang eine Erweckungserfahrung gemacht. Wie die Baptisten in den USA entfaltete er eine intensive missionarische Tätigkeit – nach dem Motto: Jeder Baptist ist ein Missionar. Wegen des starken missionarischen Impulses breitete sich der Baptismus in ganz Europa einschließlich Russland aus.
Die Brüdergemeinden haben ihre Wurzeln in Erweckungsbewegungen in Irland und England im 19. Jahrhundert, die Christen aus verschiedenen Kirchen umfasste. Sie entwickelten den Wunsch, über Konfessionsgrenzen hinweg gemeinsam Abendmahl zu feiern, und trafen sich deshalb in kleinen Gruppen zum gemeinsamen „Brotbrechen“ außerhalb der Kirche. Das Brotbrechen, die Erinnerung an den gekreuzigten und auferstandenen Christus, stand im Mittelpunkt des Gemeindelebens der Brüderversammlungen. Die Brüdergemeinden in Deutschland feiern bis heute weitgehend jeden Sonntag das Abendmahl. Wichtig ist für die Gemeinden außerdem das brüderliche Miteinander, das von dem Glauben an das allgemeine Priestertum aller Gläubigen getragen ist. Die Bibel ist die oberste Autorität für Glauben und Leben der Gemeinden. Eine eigene deutsche Übersetzung wurde angefertigt: die Elberfelder Bibel.
Der Zusammenschluss von Baptisten- und Brüdergemeinden 1941 war durch die politische Situation im Nationalsozialismus bedingt. Insbesondere die bislang untereinander nur in loser Gemeinschaft stehenden Brüdergemeinden versuchten, durch die Schaffung klarer Strukturen einem Verbot zu entgehen. Die bestehenden Meinungsverschiedenheiten und Spannungen zwischen den Bünden wurden durch den Zusammenschluss jedoch nicht aufgehoben. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs trennte sich daher ein Teil der Brüdergemeinden wieder vom BEFG. Die im BEFG verbleibenden Brüdergemeinden bildeten eine eigene Arbeitsgemeinschaft innerhalb des Bundes mit einer Geschäftsstelle in Leipzig. Ihr schlossen sich auch Gemeinden an, die den BEFG nach dem 2. Weltkrieg verlassen hatten. 2020 gab sich die Arbeitsgemeinschaft der Brüdergemeinden einen neuen Namen: ChristusForum Deutschland.
 


Glaubensinhalte und kirchliches Leben

Die Baptisten stehen in der Tradition reformatorischen Denkens calvinistischer Prägung. Die Heilige Schrift ist für sie die alleinige Richtschnur für den Glauben und für ein dem Glauben gemäßes Leben in der Christusnachfolge. Die Heilige Schrift gibt Orientierung sowohl für das persönliche Christsein als auch für das Miteinander in der Gemeinde. Damit hängt zusammen, dass die persönliche Lektüre der Heiligen Schrift in der „Stillen Zeit“ ebenso zum Kern baptistischer Praxis gehört wie das gemeinschaftliche Lesen (und Auslegen) in der gemeindlichen „Bibelstunde“ oder in anderen Gruppen wie z.B. den „Hauskreisen“.
Die altkirchlichen Dogmen werden anerkannt, und es wurden von Anfang an eigene baptistische Bekenntnisschriften verfasst. Nur wird mit Blick auf die Dogmen und Bekenntnisse nicht Glaubensgehorsam verlangt, sondern beide können von der Bibel her kritisiert werden. So entspricht es dem Bekenntnisbegriff der reformierten Tradition, den die Baptisten teilen.
Die reformatorische Prägung kommt auch durch den Stellenwert der Rechtfertigungslehre zum Ausdruck. Baptisten glauben, dass sie Erlösung allein aus Gnade und allein durch den Glauben an Jesus Christus finden. Der Einfluss der Erweckungsbewegung zeigt sich darin, dass die persönliche Beziehung zu Jesus Christus als Heiland und Erlöser im Mittelpunkt steht. Bekehrung zu ihm und die persönliche Glaubenserfahrung sind entscheidend; aus ihnen folgt das Bemühen um Heiligung des Lebens durch Nachfolge und eine Lebensführung gemäß der Heiligen Schrift. Aus der Bedeutung Jesu Christi im eigenen Leben erwächst ein starker missionarischer Impuls, wie nicht zuletzt die schnelle Ausbreitung des Baptismus in der Anfangszeit zeigt.
Die Gemeinschaft derer, die sich zu Jesus Christus bekennen und sich von ihm persönlich in die Nachfolge gerufen wissen, ist die Kirche, und zwar primär in der Gestalt der konkreten Gemeinde am Ort. Hier wird auf der Grundlage der Heiligen Schrift und begleitet durch das gemeinsame Gebet das Leben in der Nachfolge Christi eingeübt. Aus dem allgemeinen Priestertum aller Gläubigen folgt, dass alle Gemeindemitglieder gleiche Rechte und Verantwortung haben und an allen Entscheidungen beteiligt sind. Alle Belange der Gemeinde werden von dieser selbst wahrgenommen – die einzelnen Gemeinden sind geistlich selbstständig. Der Zusammenschluss zu einem Bund dient nicht nur der Erfüllung gemeinsamer Aufgaben, sondern auch als sichtbares Zeichen und Instrument der Einheit der Ortsgemeinden in Lehre und Leben.     
Die Sakramente Taufe und Abendmahl werden gemäß dem reformierten Verständnis als Handlungen gesehen, die eine schon gegebene geistliche Wirklichkeit versinnbildlichen und bestätigen, sie aber nicht erst bewirken. Die Taufe, die durch Untertauchen vollzogen wird, setzt ein persönliches Bekenntnis des Täuflings voraus. Sie wird daher nur an mündigen Menschen vollzogen, weil nur sie ein solches persönliches Bekenntnis ablegen können. Mit der Taufe werden sie zugleich als Mitglied in die Gemeinde aufgenommen. Das Abendmahl wird als Mahl des Herrn, als Gedächtnis-, Gemeinschafts- und Hoffnungsmahl aufgefasst. In einem baptistisch-katholischen Dialogdokument heißt es: „Am Mahl Anteil haben heißt an Christi Leib und Blut Anteil haben.“ Zur Teilnahme am Abendmahl sind auch Mitglieder anderer Kirchen eingeladen, die sich zu Jesus Christus bekennen.
In Baptistengemeinden gibt es theologisch ausgebildete und ordinierte Pastorinnen und Pastoren. Sie werden für pastorale Aufgaben von den Gemeinden berufen. Ihr Dienst ist eingebettet in die Berufung der ganzen Gemeinde, das Evangelium von Jesus Christus in Wort und Tat zu verkünden. Grundlegend ist dabei das allgemeine Priestertum aller Gläubigen als „die der christlichen Gemeinde von ihrem Herrn gegebene Grundstruktur“ (Rechenschaft vom Glauben, 2.I.5).
 


Ethik

Für den BEFG gilt, dass zur Nachfolge die Liebe zu und der Einsatz für den Nächsten gehört. Deshalb engagieren sich die Gemeinden in unterschiedlichen diakonischen Aufgaben. Baptisten kämpfen seit den Anfängen für die Menschenrechte, besonders für Religions- und Gewissensfreiheit. Sie treten für die Trennung von Staat und Kirche ein, sind aber dennoch bereit, ihre christlichen Wertvorstellungen in die Gesellschaft einzubringen. Neben eigenen Initiativen unterhält der BEFG mit der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) Beziehungen zum Staat über einen Beauftragten der VEF bei der Bundesregierung und arbeitet in öffentlichen Institutionen wie z.B. dem Rundfunkrat mit.
Die persönliche Lebensführung orientiert sich an der Heiligen Schrift. Gott ist ein Freund des Lebens. So wird der Schutz des Lebens von der Empfängnis bis zum Ende des Lebens betont. Die Ehe zwischen Mann und Frau gilt als Ausdruck der guten göttlichen Ordnung, wobei unter dem Motto „bei Gott ist jede Person willkommen“ sich eine Öffnung für andere Beziehungen abzeichnet.
 


Ökumene

Die Baptisten gehören zu den Gründungsmitgliedern der Vereinigung Evangelischer Freikirchen und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, fast alle Bünde in Europa sowie die Europäische Baptistische Föderation (EBF) gehören der Konferenz Europäischer Kirchen an, einige Bünde – bislang allerdings nicht der BEFG – sind zudem Mitglied des Ökumenischen Rates der Kirchen. Der BEFG hatd auf seiner Bundesratssitzung 2021 beschlossen, einen Antrag auf Mitgliedschaft im ÖRK zu stellen. 
Die Baptisten beteiligen sich an bi- und multilateralen Dialogen auf nationaler und internationaler Ebene. Der BEFG hat 2003 die Charta Oecumenica unterschrieben, sich der Erklärung der wechselseitigen Anerkennung der Taufe 2007 in Magdeburg aber nicht angeschlossen. Die Taufe ist weiterhin Gegenstand des Dialogs, z.B. in Deutschland und auf europäischer Ebene zwischen der Europäischen Baptistischen Föderation und der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa.
Die gegenseitige Anerkennung der Ämter hat im baptistischen Denken keinen besonders hohen Stellenwert, da im Mittelpunkt (auch bei der Frage der Zulassung von Mitgliedern anderer Kirchen zum Abendmahl) die persönliche Beziehung des einzelnen zu Christus steht, man das allgemeine Priestertum aller Gläubigen betont und die Ortsgemeinde als primäre Verwirklichung von Kirche gilt. Im Dialogbericht der EBF mit der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) wird aber gemeinsam festgestellt, man könne „den Dienst derer anerkennen, die als ordinierte Pastoren in den jeweils anderen Kirchen tätig sind.“ 

Elisabeth Dieckmann

gegengelesen von Uwe Swarat
 


Literatur

Geldbach, Erich: Baptisten, in: Kirchen und Konfessionen (Grundwissen Christentum, Bd. 2), hg. von Markus Mühling, Göttingen 2009, 132-152.     

Iff, Markus: Die evangelischen Freikirchen, 3. Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten), in: Konfessionskunde, hg. von Johannes Oeldemann (Handbuch der Ökumene und Konfessionskunde 1), Leipzig/Paderborn 2015, 311-324.

Rothkegel, Martin: Art. Baptisten/Baptismus, in: Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde, Neuausgabe (ELThG2), Bd. 1, 2017, 613-620.

Strübind, Andrea: Art. „Baptisten“, in: Taschenlexikon Ökumene, im Auftrag der ACK hg. von Harald Uhl, Frankfurt am Main/Paderborn 2003, 33-35. 

Swarat, Uwe: Gnade und Glaube. Studien zur baptistischen Theologie. Bibel – Rechtfertigung – Gemeinde und Kirche – Kirche und Staat, Leipzig 2021.
 

Zurück