Kirche des Nazareners

Situation in der Gegenwart

Die Kirche des Nazareners (KdN) ist eine evangelische Freikirche, für die der Gottesdienst, die Heiligung der Glaubenden und die Mission (Evangelisation und Diakonie) zentral sind. 20 Gemeinden mit etwa 1.100 Mitgliedern bilden die KdN in Deutschland. Weltweit gehören zur Kirche etwa 30.000 Gemeinden in über 160 Ländern mit rund 2,5 Millionen Mitgliedern. Oberste Instanz der weltweiten KdN ist der Weltkirchentag, der sich aus Delegierten aller Bezirke und Regionen zusammensetzt und alle vier Jahre zusammenkommt.


Geschichte

Die KdN entstand aus der Heiligungsbewegung, die sich auf die methodistische Tradition beruft und schon im 18. Jahrhundert die USA erreichte. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich in unterschiedlichen Teilen der USA Gruppierungen mit direktem und indirektem Bezug auf John Wesley und den Methodismus, die sich mehr und mehr von den methodistischen Kirchen abgrenzten. Bei Heiligungsversammlungen (Camp Meetings) entstanden lose Kontakte. Einige der Gruppen begannen sich zusammenzuschließen, und im Oktober 1908 schlossen sich in Pilot Point im US-Bundesstaat Texas mehrere unabhängige wesleyanische und unabhängige kongregationale Kirchen und Heiligungsmissionen mit der von Dr. Phineas Bresee gegründeten KdN zusammen. Einige dieser Gruppen betrieben schon Missionsarbeit, sodass 1915 Missionare in Mexiko, Japan, Indien, China und Afrika wirkten.

Schon nach dem Ersten Weltkrieg gab es Überlegungen, die Kirche auch in Deutschland zu beginnen. Schließlich wurde 1957 Dr. Hardy C. Powers vom Vorstand der Generalsuperintendenten im Rahmen seines Aufenthaltes in Großbritannien dazu beordert, eine Reise durch Westdeutschland zu unternehmen. Hierbei sollte er die Gegebenheiten für den Beginn einer neuen Arbeit erforschen. Aufgrund seines Berichts entschied der Hauptvorstand, dass die Zeit reif sei, um die KdN in Deutschland ins Leben zu rufen.

Pastor Jerald Johnson aus Eugene (Oregon) machte sich im März 1958 mit seiner Familie auf den Weg nach Deutschland. Der Auftrag lautete, die Arbeit in Mitteleuropa von Frankfurt am Main aus zu starten. Von einem Hausbibelkreis im Wohnzimmer von Familie Johnson über Gottesdienste in einer Garage wuchs die erste Gemeinde schnell und konnte schon 1962 ein eigenes Gemeindezentrum einweihen.

In den nächsten Jahren entstanden Gemeinden in Kaiserslautern, Stuttgart und Berlin. Darüber hinaus auch in den Niederlanden und in Dänemark. Gleichzeitig wurde die erste theologische Ausbildungsstätte in Frankfurt am Main eröffnet. 1964 übergab Pastor Johnson die Gemeindeleitung an Pastor Richard Zanner, um als vollzeitlicher Bezirkssuperintendent zu wirken. Nach elf Jahren Pionierdienst in Deutschland verabschiedete sich Familie Johnson, um wieder in den USA zu arbeiten. Deutsche Pastoren und Laien übernahmen die Leitung der Kirche, und Pastor Zanner wurde 1969 der erste deutsche Bezirkssuperintendent. Die Wende mit dem Mauerfall in Berlin eröffnete neue Möglichkeiten für die kirchliche Arbeit. Erste Gemeinden wurden im Osten Deutschlands gegründet.


Glaubens- und Gemeindeleben

Die KdN beruft sich auf das reformatorische Erbe Luthers, Zinzendorfs, Wesleys und anderer. Sie predigt die biblische Rechtfertigung und Heiligung des Sünders. Einen Altar im üblichen Sinne gibt es in einigen Gemeinden nicht, dafür aber die alte methodistische Buß- und Kniebank. Die Heiligungslehre wird nicht als Sonderlehre verstanden. Sie ist die wesleyanische Verkündigung von der „Vollkommenheit des Christen in der Liebe“. Sie schließt einen Rück- oder Abfall vom Glauben nicht aus. Die KdN besteht, um die Welt zu verändern – und das durch biblische Heiligung. Das geschieht, indem sich die KdN mit dem gesamten Auftrag der historischen Kirche identifiziert, nämlich dem Predigen des Wortes, der Verwaltung der Sakramente, der Berufung, den apostolischen Dienst in Glaube und Tat auszuleben, und der Betonung eines persönlichen Lebens in der Jüngerschaft Jesu im liebevollen Dienst am Nächsten in der ganzen Welt.

Die KdN versteht ihre Organisationsform laut Selbstdarstellung als „repräsentativ – weder rein episkopal … noch völlig kongregational“. Auf allen Ebenen sind die meisten Gremien zu gleichen Teilen mit Geistlichen und Laien besetzt.

Taufe und Abendmahl werden als neutestamentliche Sakramente unabhängig von der Kirchenmitgliedschaft gespendet. Dabei ist das Abendmahl grundsätzlich offen für jeden, der an Jesus Christus als seinen persönlichen Retter und Herrn glaubt. Es wird mindestens viermal im Jahr gefeiert, in manchen Gemeinden auch monatlich. Als Elemente können Brot oder Hostie verwendet werden. Statt mit Wein wird das Abendmahl mit alkoholfreiem Traubensaft gefeiert.

Nach der Kirchenordnung ist sowohl die Kinder- als auch die Gläubigentaufe möglich. In der Praxis ist die Taufe von Jugendlichen und Erwachsenen häufiger, kleine Kinder werden dem Herrn geweiht. Die Taufhandlung wird durch Besprengen, Begießen mit Wasser oder auch durch Untertauchen vollzogen. Bei der Kinderweihe (Kindersegnung) wird kein Wasser verwendet, sondern das Kind wird im Beisein der Eltern gesegnet. Die Kinderweihe wird nicht als Sakrament verstanden. Sowohl die Kinder- als auch die Gläubigentaufe in einer anderen Kirche wird bei einem Übertritt anerkannt.

Die Aufnahme in die Mitgliedschaft erfolgt in einem öffentlichen Gottesdienst. Voraussetzungen dafür sind eine persönliche Glaubenserfahrung und die Zustimmung zur vereinbarten Glaubensgrundlage und den Richtlinien der KdN. Eine Doppelmitgliedschaft ist nur in Ausnahmefällen möglich.


Ethik

Als besondere Richtlinien werden den Gemeindegliedern gewisse Hilfen und Normen christlicher Ethik gegeben. Dazu gehört auch die Empfehlung eines alkoholfreien Lebens. Die KdN überlässt es der persönlichen Gewissensentscheidung ihrer Mitglieder, ob sie Militärdienst leisten oder nicht.


Ökumene

Die KdN ist Mitglied in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) und Gastmitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK). Angehörige der KdN arbeiten in der Deutschen Evangelischen Allianz mit.

Michael Gruber

gegengelesen von Ingo Hunaeus


Literatur

Die Darstellung in diesem Artikel stammt in weiten Teilen aus einem bisher unveröffentlichten Manuskript von Pastor i.R. Holger Teubert (Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten) über die Vereinigung Evangelischer Freikirchen.

  • Arnold, Klaus: „Kirche des Nazareners (KdN)“, in: Hempelmann, Heinzpeter und Swarat, Uwe: Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde. 2. Auflage. Band 2, Sp. 1873-1874.
  • Moore, Frank: Was Nazarener kennzeichnet, hg. v. der Kirche des Nazareners, 2017.
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