Neuapostolische Kirche (NAK)
Gegenwärtige Situation
Die Neuapostolische Kirche (NAK) hat weltweit (Stand: Januar 2024) über 9 Millionen Mitglieder in 55.000 Gemeinden, in Europa 435.000 in 2.300 Gemeinden, davon in Deutschland 307.000 in 1.450 Gemeinden .
Weltweit gliedert sich die NAK in rechtlich eigenständige Gebietskirchen, die in der Regel mit den Staatsgrenzen identisch sind. Mehrere zusammengefasste Gebietskirchen bilden einen Bezirksapostelbereich; ein solcher kann auch interkontinental gestaltet sein. Eine Gebietskirche ist in mehrere Apostelbereiche gegliedert. Diese wiederum umfassen mehrere Kirchenbezirke, die aus rechtlich unselbständigen Gemeinden bestehen.
Das geistliche Oberhaupt der NAK ist der Stammapostel. Er wird von 14 Bezirksaposteln und weltweit rund 330 Aposteln unterstützt. Die obersten Entscheidungsgremien laut Statuten der Neuapostolischen Kirche International (NAKI) sind die Bezirksapostelversammlung, die Delegiertenversammlung und die Internationale Apostelversammlung. Mitglieder der NAKI sind ausschließlich die Apostel im aktiven Dienst.
Die NAK versteht sich als Kirche des Amtes und kennt drei Ordinationsebenen, sowohl für Frauen als auch für Männer: Das Apostelamt, das Priesteramt und das Diakonenamt. Das Apostelamt hat kirchenleitende Funktion, Priester und Diakone sind in Gemeinden und Bezirken tätig.
Geschichte
2013 feierte die Neuapostolische Kirche ihr 150-jähriges Bestehen.
Ab 1830 hat sich die katholisch-apostolische Bewegung in England entwickelt, die sich aus unterschiedlichen Strömungen speist. Christlichen Kreisen in England, Schottland und im Donaumoos bei Ingolstadt, die zunächst nichts voneinander wissen, ist gemeinsam, dass sie sich durch Bibelstudien und Gebet auf die Wiederkunft Christi vorbereiten. Durch Krankenheilungen, Zungenreden und Weissagungen wird diese Erwartung genährt und durch die prophetische Berufung von 12 Männern zu Aposteln manifestiert. Durch weitere Apostelberufungen über die zwölf Apostel in England hinaus kommt es 1863 in der rund 200 Mitglieder zählenden katholisch-apostolischen Gemeinde in Hamburg zur Abspaltung und zur Entwicklung hin zur NAK.
Unter den Aposteln Friedrich Wilhelm Schwartz (1815-1895) und Friedrich Wilhelm Menkhoff (1826-1895) erfolgt ab Anfang der 1890er-Jahre eine Gottesdienstreform, weg von dem liturgisch reichhaltigen katholisch-apostolischen Gottesdienst hin zu einem reformiert anmutenden Predigtgottesdienst. Schwartz führt auch die Kinderversiegelung und die Spendung der Sakramente für Verstorbene ein. Unter Friedrich Krebs (1832-1905) wird 1897 das Amt des Stammapostels in der NAK eingeführt.
Stammapostel Johann Gottfried Bischoff (1871-1960) dogmatisiert die Naherwartung der Wiederkunft Jesu Christi. Bischoff verkündet 1951, dass die Wiederkunft Christi zu seiner Lebzeit erfolgen wird. Er stürzt damit die NAK in eine Krise, die zu Kirchenausschlüssen und Abspaltungen führt. Die Isolation der NAK in Blick auf die anderen christlichen Kirchen wird verstärkt. Bis in die 1990er-Jahre wirkt die Ablehnung einer Einladung des ÖRK in Genf aus dem Jahr 1963 nach: „Die Neuapostolische Kirche distanziert sich von der Ökumene. Sie sieht in ihr keinen geeigneten Weg zum Einssein in Christo.“
Im Jahr 1999 setzt Stammapostel Richard Fehr (1939-2013) die Projektgruppe Ökumene ein (2010 umbenannt in „Arbeitsgruppe Kontakte zu Konfessionen und Religionen“). 2012 wird der Katechismus der NAK veröffentlicht und damit zum ersten Mal die Glaubenslehre der NAK systematisiert.
Gespräche, die Anfang 2000 mit der regionalen ACK Baden-Württemberg beginnen und ab 2008 auf die ACK in Deutschland übergehen, führen 2019 zur Gastmitgliedschaft der NAK in der ACK in Deutschland.
Glaubensinhalte und Kirchenverständnis
Das Selbstverständnis und die Glaubensinhalte der NAK verdeutlicht der im Jahr 2012 veröffentlichte Katechismus (KNK). Ausdrücklich verweist er auf die beiden altkirchlichen Bekenntnisse Apostolikum und Nicäno-Konstantinopolitanum. Das 10 Glaubensartikel umfassende neuapostolische Glaubensbekenntnis (KNK 2.4) spiegelt in den ersten drei Artikeln das Apostolikum wider. Die im 2. Glaubensartikel nicht genannte Wiederkehr von Jesus Christus „zu richten die Lebenden und Toten“ wird im 9. Glaubensartikel konkretisiert. Die Artikel 4 bis 10 sind vertiefende neuapostolische Interpretation.
Mit allen anderen christlichen Kirchen bekennt sich die NAK gleich im ersten Kapitel des KNK zur Selbstoffenbarung Gottes in Schöpfung und Geschichte. Neben dem Bekenntnis zum Dreieinen Gott, das eine deutliche christologische Zuspitzung enthält, wird die Erwartung der Wiederkunft Christi betont, die von Anfang an eine wesentliche Lebensader des neuapostolischen Glaubens ist.
Die NAK kennt drei Sakramente: die heilige Wassertaufe als grundlegende Gnadenmitteilung Gottes an die Menschen, die an Jesus Christus glauben; die heilige Versiegelung als Vermittlung der Gabe des Heiligen Geistes; das heilige Abendmahl, in dem in Anlehnung an das lutherische Abendmahlsverständnis die Realpräsenz des Leibes und Blutes Christi in den Abendmahlsgaben Brot und Wein gefeiert wird. Die Sakramente sind auch Kindern zugänglich und werden auch Verstorbenen vermittelt. Die rechte Verwaltung der Sakramente obliegt den Aposteln.
Durch die heilige Wassertaufe und die heilige Versiegelung vollzieht sich die Wiedergeburt aus Wasser und Geist und erfolgt die Berufung zur Erstlingsschaft für die Teilhabe an der heimholenden Wiederkunft Christi vor dem Endgericht (erste Auferstehung – vgl. KNK 8.3).
Das jahrzehntelange exklusive Kirchenverständnis der NAK wurde 2010 in Vorbereitung des Katechismus neu formuliert. KNK 6 zeichnet neuapostolische Christen als Glieder in die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche ein. Mit der Erkenntnis und dem Zugeständnis, dass der Geist Gottes auch außerhalb der NAK Glauben wirkt und Heil vermittelt, öffnet sich die NAK dem ökumenischen Gespräch. Allerdings betont KNK 7.6. und 6.5, dass die Kirche Jesu Christi dort am deutlichsten zutage tritt, wo das der Kirche gegebene Apostelamt wirkt.
Ethik
Die Grundlagen der neuapostolischen Ethik finden sich in KNK 5 über die Gebote Gottes. In KNK 5.1 heißt es dazu: „In den Geboten kommt Gottes Wille zum Ausdruck, wie die Beziehung zu ihm gestaltet werden soll. Sie bilden überdies die Grundlage für ein gedeihliches Miteinander der Menschen. Im Glauben nimmt der Mensch Gott als seinen Herrn an; er vertraut ihm und strebt danach, durch sein Denken und Handeln dem Willen Gottes zu entsprechen. Jesu unbedingter Gehorsam zu seinem Vater ruft zur Nachfolge und fordert einen Lebenswandel nach seinem Vorbild.“
Als kirchenleitendes Amt ist es Aufgabe des Apostolats, Lehre und kirchliche Regelungen verbindlich festzulegen. Das geschieht einmal durch die thematische Skizzierung im KNK, zum anderen durch Verlautbarungen des Stammapostels.
Die NAK hält am neutestamentlichen Bild der Ehe fest (KNK 5.3.7.1): „Die Ehe ist die von Gott gewollte, auf Lebenszeit angelegte Gemeinschaft von Mann und Frau. … Sie ist auf Unauflöslichkeit bis zum Tod angelegt: … Vor diesem Hintergrund ist es geboten, die Ehe zu schützen und zu fördern“. KNK 13.3 („Ehe und Familie“) unterstreicht noch einmal die Ehe als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau als göttliche Gabe, die unter seinem besonderen Schutz und Segen steht.
Zum Thema Scheidung und Wiederverheiratung heißt es z.B. im KNK 5.3.7.3 im ersten Satz: „Scheidung wird im Neuen Testament als Sünde bewertet.“ Am Ende des Artikels wird allerdings formuliert: „In Scheidung Lebende und Geschiedene werden nicht vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen. Sie haben ihren Platz in der Gemeinde und werden von ihren Seelsorgern vorbehaltlos betreut. Geschiedenen, die erneut eine Ehe eingehen wollen, wird auf Wunsch der Trausegen gespendet. Damit soll ihnen die Möglichkeit zu einem Neuanfang gegeben werden.“
Auch nimmt die NAK gesellschaftliche Entwicklungen auf. Zum Thema „Gleichgeschlechtliche Partnerschaften“ heißt es z.B. auf der Internetseite der NAK-West: „In Deutschland können gleichgeschlechtliche Paare seit 2001 eine Lebenspartnerschaft eingehen. Diese wird vor einem Standesbeamten geschlossen. In der Neuapostolischen Kirche ist es nun auch möglich, mit einem Seelsorger Gott um den Segen zu dieser Partnerschaft auf Lebenszeit zu bitten. Dazu wurde in Nordrhein-Westfalen im Auftrag der internationalen Kirche eine Richtlinie erarbeitet, der nun auch Stammapostel Wilhelm Leber für den westeuropäischen Raum zugestimmt hat.“ Der Hinweis auf die Zustimmung des Stammapostels betont dessen Verantwortung als oberster geistlicher Autorität. Im weiteren Verlauf des Artikels wird deutlich, dass der „Segen für eingetragene Partnerschaften“ nicht mit einer Trauung bzw. einem Trausegen verwechselt werden soll.
Im KNK wird auch das Thema „Die Neuapostolische Kirche als Teil der Gesellschaft“ entfaltet. Nach einer grundsätzlichen Einführung nimmt KNK 13.5.1 Bezug auf den 10. Artikel des Glaubensbekenntnisses (KNK 2.4.10): „Ich glaube, dass ich der weltlichen Obrigkeit zum Gehorsam verpflichtet bin, soweit nicht göttliche Gesetze dem entgegenstehen“. Auf die Kirche bezogen wird betont, dass sie ihre aus den Gesetzen und Verordnungen des jeweiligen Landes bestehenden Verpflichtungen erfüllt, allerdings auch erwartet, dass sie in ihrer Position respektiert und anerkannt wird. „Auch die Staatsgewalt muss sich an göttlichen Geboten messen lassen.“
Die NAK legt seit jeher großen Wert auf sozial-diakonisches Handeln. Über lange Zeit hat sie jedoch keine nennenswerte sozial-diakonische Einrichtungen betrieben. Seit einigen Jahren ist hier eine Veränderung festzustellen, insbesondere durch Gründung entsprechender Hilfswerke, die u.a. Bau und Unterhalt von Kindergärten, Schulen, Krankenstationen und Waisenhäusern fördern. KNK 13.5.3 führt dazu aus: „Die Kirche ist dem Evangelium und den Geboten christlicher Ethik verpflichtet. Im Rahmen der Möglichkeiten werden — auch in Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen — gemeinnützige, karitative und der Wohlfahrt dienende Projekte unterstützt.“
Ökumene
Die NAK wurde 2019 nach einem fast 20-jährigen Gesprächsprozess auf unterschiedlichen Ebenen als Gastmitglied in die ACK in Deutschland aufgenommen. Als sich die NAK am 29. März 2017 auf der Mitgliederversammlung der ACK in Deutschland vorstellte, waren 103 NAK-Gemeinden in 49 örtlichen ACKs Gastmitglieder. Inzwischen ist die NAK in den meisten lokalen ACKs sowie in allen regionalen ACKs vertreten. In Europa ist die NAK auf nationaler Ebene Mitglied in den Niederlanden und Luxemburg und in Österreich sowie seit 2022 in der Schweiz.
Zur Motivation ihres ökumenischen Engagements befragt, erklärten Vertreter der NAK in der o.a. Mitgliederversammlung: „Als Teil der Kirche Jesu Christi wollen neuapostolische Christen mit anderen Christen zusammen das Evangelium weitertragen und christliche Werte in der Gesellschaft leben.“ Für die NAK ist die Entwicklung zur Mitarbeit in der Ökumene in „versöhnter Verschiedenheit“ zwingend geboten.
Über den gegenwärtigen Stand von Übereinstimmungen, Taufanerkennung und Anfragen an die NAK gibt die Orientierungshilfe von 2015 „Schritte aufeinander zu“, die Vertreter der ACK und der NAK gemeinsam erarbeitet haben, einen sachgerechten Einblick.
Bernd Densky
gegengelesen von Volker Kühnle/Peter Johanning
Literatur
- Katechismus der Neuapostolischen Kirche von 2012 (KNK): https://nak.org/de/kennenlernen/katechismus?id=preamble
- Glaubensbekenntnis der Neuapostolischen Kirche: https://nak.org/de/kennenlernen/katechismus?id=49ad0e26-4be0-4f19-8e91-4e087515d8cb
- Tischvorlage „Neuapostolische Kirche“ in der Mitgliederversammlung der ACK in Deutschland am 29. März 2017 in Magdeburg (auf Anfrage in der Ökumenischen Centrale der ACK, Frankfurt am Main, erhältlich)
- Orientierungshilfe „Schritte aufeinander zu“: https://www.oekumene-ack.de/fileadmin/user_upload/Texte_und_Publikationen/ACK-NAK_Orientierungshilfe_2015.pdf