Katechese / Religionsunterricht

Einführung

Allen christlichen Konfessionen ist gemeinsam, dass sie religiöse Bildung, verstanden als lebenslanger Prozess, für wichtig erachten. Den Auftrag dazu finden sie etwa in 5. Mose 6,20 oder den Worten Jesu „Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solcher ist das Reich Gottes“ (Mt 19,14; Mk 10,14). Die Konfessionen sind sich auch darin einig, dass der Glaube an sich nicht lehrbar ist. Dabei können sich Zielperspektiven religiöser Bildung, Schwerpunkte im Curriculum, in der konzeptionellen Entwicklung oder Didaktik unterscheiden. Beispielsweise findet das biblische Lernen in der orthodoxen Tradition oft zusammen mit korrespondierenden Inhalten in den liturgischen Texten und der Ikonographie statt, so dass sie sich in einem hermeneutischen Dreieck gegenseitig erschließen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auch auf der liturgischen Bildung. Die Göttliche Liturgie und das Sakrament der Eucharistie sind für das Selbstverständnis der Orthodoxen Kirche wesentlich und darum die Beschäftigung mit den entsprechenden Inhalten sowohl im orthodoxen Religionsunterricht als auch in den Angeboten der religiösen Bildung in den Gemeinden ein wichtiger Bestandteil.


Katechese

Im engen Sinn ist Katechese die Unterweisung in den Glaubensgrundlagen und geht auf die altkirchliche Praxis zurück. Die Katechese bildete i. d. R. die Voraussetzung für die Erwachsenentaufe. Da heute in vielen christlichen Kirchen die Kindertaufe praktiziert wird, überwiegend im Säuglingsalter, soll die Katechese u. a. durch Angebote der religiösen Bildung nachgeholt werden. Das geschieht beispielsweise in der Römisch-katholischen Kirche in der Erstkommunion-Katechese, in den evangelischen Kirchen im Konfirmanden-Unterricht und in der Orthodoxen Kirche durch die Sonntagsschulen der Gemeinden.

Dem Bereich der Katechese werden allgemein Formate der religiösen Bildung zugeordnet, in denen die Glaubensinhalte vermittelt und die Sozialisation bzw. Integration des Menschen in das kirchliche Leben ermöglicht werden. Durch die Katechese sollen die Lernenden mit den Glaubensgrundlagen der Kirche (als Glaubensgemeinschaft) vertraut werden und die eigene religiöse Tradition kennenlernen. Gewöhnlich behandelt werden biblische Texte, Glaubensbekenntnisse, zentrale Gebete (z. B. Vaterunser), das Kirchenjahr und Kirchenfeste, Inhalte rund um den Gottesdienst und die Sakramente. Die Katechese erschöpft sich jedoch nicht in der Wissensvermittlung, sondern soll vor allem in die Glaubenspraxis einführen, zum Beispiel indem Bibeltexte ins Gespräch gebracht werden mit persönlichen Erfahrungen oder Gebetspraktiken angeboten und eingeübt werden.

Katechese begrenzt sich nicht auf ein bestimmtes Alter oder eine bestimmte Phase der kirchlichen Sozialisation; Bildungsangebote in den Gemeinden werden zunehmend altersdifferenziert gestaltet und wenden sich an unterschiedliche Altersgruppen (Sonntagsschulen, Jugendarbeit, Bibelkreise, Vorträge). Hinzu kommen punktuelle katechetische Anlässe, z. B. Vorbereitungsgespräche auf die Sakramente und Kasualien.

Die Verengung des Begriffes Katechese auf die Angebote der religiösen Bildung in der Gemeinde ist nicht treffend, denn auch im Religionsunterricht können katechetische Inhalte behandelt werden, wie das an einigen Lehrplänen (orthodox, syrisch-orthodox) deutlich wird.


Religionsunterricht

Wenn man das Format des Religionsunterrichts mit der Katechese vergleicht, so wird in der Katechese der Glaube der Kirche überliefert und gehört zum Verkündigungsauftrag der Glaubensgemeinschaft. Katechese ist somit eine Aufgabe der Kirche oder Gemeinde. Der Religionsunterricht findet im öffentlichen und religiös pluralen Kontext der Schule statt und muss darum im Bildungsauftrag der Schule begründet werden.

Religionsunterricht ist in Deutschland nach Art. 7 Abs. 3 GG ein ordentliches Lehrfach in der Schule und wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Abgesehen von einzelnen Bundesländern, in denen abweichende Vereinbarungen gelten (Bremen, Berlin und Brandenburg), wird der Religionsunterricht konfessionell erteilt und wird in einer Kooperation des Staates mit den jeweiligen Religionsgemeinschaften verantwortet. Im Unterschied zur religiösen Bildung in der Gemeinde, die primär dem Bereich der non-formellen Bildung zuzuordnen ist, gehört Religionsunterricht in der Schule zum Bereich der formellen Bildung.

Der Religionsunterricht leistet einen Beitrag zum Bildungsauftrag der Schule bzw. zur Allgemeinbildung, indem u. a. fachübergreifende Leitperspektiven (z. B. Bildung für nachhaltige Entwicklung, Medienbildung) berücksichtigt werden. Der Religionsunterricht macht deutlich, dass es mehrere Zugänge und Perspektiven gibt, um sich sowohl das eigene, individuelle, als auch das gesellschaftliche Leben und die Welt zu erschließen und diese auf unterschiedliche Weise (individuell, zwischenmenschlich, in Bezug auf die Umwelt und Gesellschaft) mitzugestalten.

Prägend für die gegenwärtige Situation des Religionsunterrichts ist sowohl die steigende religiöse als auch konfessionelle Pluralität unter den SchülerInnen. Das Angebot am Religionsunterricht verschiedener christlicher Konfessionen wird in einzelnen, v. a. den alten Bundesländern, zunehmend ausgebaut. So wurde z. B. orthodoxer Religionsunterricht nacheinander in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Baden-Württemberg eingerichtet. Wenn man sich die Lehr- und Bildungspläne sowie verfügbare Unterrichtsmedien auf Deutsch für den orthodoxen Religionsunterricht anschaut, fällt auf, dass im Vergleich etwa zum katholischen und evangelischen Religionsunterricht die Inhalte bezogen auf die kirchliche Tradition deutlich überwiegen. Für die orthodoxe Perspektive ist wichtig, dass sie nicht klar zwischen religiöser Bildung und Erziehung einerseits und säkularer Bildung andererseits trennt. Das liegt unter anderem in den anthropologischen Prämissen begründet, wonach der Mensch aus orthodoxer Sicht als Person stets in seiner Beziehung zu Gott, den Mitmenschen und der Umwelt gesehen wird. Somit hat auch religiöse Bildung immer einen holistischen Charakter.


Konfessionelle Kooperation im Religionsunterricht

Während die Zahl der evangelischen und katholischen SchülerInnen kontinuierlich sinkt, wächst die Zahl der konfessionsfreien und muslimischen SchülerInnen sowie derer, die zu einer in Deutschland kleineren christlichen Konfession gehören (orthodox, syrisch-orthodox). Durch diese Verschiebungen wird die Gruppenbildung für den evangelischen und katholischen Religionsunterricht zunehmend schwieriger, was dazu führt, dass konfessionell-kooperativer Religionsunterrichts vermehrt etabliert wird.

Ein Problem in der Umsetzung des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts ist, dass dieser vor allem bi-konfessionell römisch-katholisch/evangelisch-landeskirchlich begrenzt ist. Die in den kirchlichen Stellungnahmen grundsätzlich befürwortete Öffnung zur Kooperation mit weiteren Konfessionen unterbleibt auf der Ebene der konkreten Vereinbarungen zwischen den Landeskirchen und Diözesen, der Aus- und Fortbildung der Religionslehrkräfte sowie in der konkreten Umsetzung an den Schulen.

Zwar setzt sich das Modell des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts von einem ökumenischen Religionsunterricht ab und versteht sich nach wie vor als konfessioneller Religionsunterricht (Lehrkräfte mit der Zugehörigkeit zu einer Konfession, Orientierung an den Lehrplänen für jeweils einen konfessionellen Religionsunterricht), doch wird zunehmend der Bedarf an mehr Ökumene in verschiedenen Bereichen des Religionsunterrichts deutlich, wie der theologischen Aus- und Fortbildung, in der Lehrplan- und Schulbuchentwicklung oder der Religionsdidaktik. Ein Grund dafür ist, dass die Schülerschaft im evangelischen und katholischen Religionsunterricht heterogener wird, nicht nur hinsichtlich der Religionszugehörigkeit (z. B. muslimisch, konfessionsfrei), sondern auch hinsichtlich der konfessionellen Zugehörigkeit.

Von daher ist es notwendig, die Kooperationen auszuweiten. Darauf weist beispielsweise das Hirtenwort der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland aus dem Jahr 2017 hin, da der orthodoxe Religionsunterricht noch nicht flächendeckend etabliert ist und die meisten orthodoxen SchülerInnen am katholischen oder evangelischen Religionsunterricht teilnehmen. Konfessionell-kooperativer Religionsunterricht bietet nicht zuletzt die Chance, konfessionelle und ökumenische Kompetenz durchgängig auszubilden. Das kann nur gelingen, wenn dabei die tatsächliche innerchristliche Vielfalt thematisiert wird.


Christlicher Religionsunterricht

Neue Entwicklungen lassen sich im Zusammenhang mit der Einführung des Christlichen Religionsunterrichts in Niedersachsen beobachten, ausgelöst durch die Veröffentlichung des Positionspapiers der Schulreferentinnen und Schulreferenten der evangelischen Kirchen und katholischen Bistümer in Niedersachsen "Gemeinsam verantworteter christlicher Religionsunterricht" im Jahre 2021. Im Unterschied zu den bereits bestehenden Formen der konfessionellen Kooperation soll es beim Christlichen Religionsunterricht um die Übernahme einer gemeinsamen Verantwortung für das Fach seitens der christlichen Glaubensgemeinschaften gehen. Derzeit sind das in erster Linie evangelische Kirchen und katholische Bistümer in Niedersachsen, so dass auch beim Anliegen des Christlichen Religionsunterrichts ein bi-konfessioneller Habitus dominiert. Die Orthodoxe Bischofskonferenz in Deutschland hat 2023 in ihrer Stellungnahme zum Christlichen Religionsunterricht die Bereitschaft zur Mitwirkung deutlich gemacht.

Es wird zwar in Bezug auf die Orthodoxie oder Freikirchen inzwischen danach gefragt, wie man z. B. den orthodoxen SchülerInnen in einem gemeinsam verantworteten Christlichen Religionsunterricht gerecht werden kann. Damit gehen auch die Fragen nach entsprechend curricular verorteten Inhalten, Lehrkräfteaus- und fortbildung sowie etwa der Schulbuchentwicklung einher. Nicht zuletzt bedarf es der Weiterentwicklung einer ökumenischen Religionsdidaktik.

Offen bleiben auch die Fragen nach einer ausgewogenen Repräsentativität im Christlichen Religionsunterricht durch die Lehrkräfte und ihre Rekrutierung. Die oben beschriebenen Entwicklungen der Kirchenmitgliedschaftszahlen einerseits und ein fehlendes Angebot am Religionsunterricht entsprechend eigener Konfession an vielen Orten andererseits führen schon jetzt dazu, dass immer mehr SchülerInnen konfessionsfremd unterrichtet werden.

Um dem inklusiven Anspruch des Christlichen Religionsunterrichts gerecht zu werden, bedarf es einer innerchristlichen Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen und einer gegenseitigen Stärkung als Subjekte der religiösen Bildung. Generell kann hier das Prinzip der Inklusion "Nicht ohne uns über uns" gelten.

Yauheniya Danilovich


Literatur

  • Danilovich, Yauheniya: Arbeit mit Kindern in der Orthodoxen Kirche in Deutschland, in: Kirsti Greier / Bernd Schröder (Hg.), Kirche mit Kindern. Perspektiven und Impulse im Anschluss an die Evangelische Bildungsberichterstattung zu „Gottesdienstlichen Angeboten mit Kindern“, Münster 2020, 111–119.
  • Kiroudi, Marina: Orthodoxer Religionsunterricht in Deutschland. Geschichte, Rahmenbedingungen, Perspektiven, Paderborn 2021.
  • Link-Wieczorek, Ulrike / Richebächer, Wilhelm / Waßmuth, Olaf (Hg.): Die Zukunft der theologischen Ausbildung ist ökumenisch. Interkulturelle und interkonfessionelle Herausforderungen in Universität und Schule, Kirche und Diakonie (Beihefte zur Ökumenischen Rundschau Nr. 127), Leipzig 2020.
  • Schambeck, Mirjam / Simojoki, Henrik / Stogiannidis, Athanasios (Hg.): Religionsunterricht in konfessioneller Heterogenität. Konturen einer ökumenischen Religionsdidaktik im europäischen Kontext, Freiburg i.Br. 2019.
  • Simojoki, Henrik / Danilovich, Yauheniya / Schambeck, Mirjam / Stogiannidis, Athanasios (Hg.): Religionsunterricht im Horizont der Orthodoxie. Weiterführungen einer Ökumenischen Religionsdidaktik, Freiburg i.Br. 2022.
  • Woppowa, Jan: Konfessionell-kooperativer Religionsunterricht, in: Ulrich Kropač / Ulrich Riegel (Hg.), Handbuch Religionsdidaktik, Stuttgart 2020, 198–204.
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