Evangelisch-altreformierte Kirche in Niedersachsen

Situation in der Gegenwart

Die Evangelisch-altreformierte Kirche in Niedersachsen (EAK) ist eine Freikirche und besteht aus dem Zusammenschluss von derzeit zwölf Gemeinden aus der Grafschaft Bentheim (acht Gemeinden), Ostfriesland (drei Gemeinden) und der Niederländisch-reformierten Gemeinde in Wuppertal. Die Zahl der Gemeindemitglieder beläuft sich auf etwa 6.500.


Geschichte

Die EAK ist in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der deutsch-niederländischen Grenzregion entstanden in Abgrenzung zur damaligen Erneuerungsbewegung, in der man eine Abkehr vom traditionellen Calvinismus sah. Insbesondere das Zurückdrängen des Psalmengesangs im Zuge der in der reformierten Kirche aufkommenden liberalen Bewegung, die Änderungen liturgischer Formulare und die Einführung neuer Katechismen waren Streitpunkte, aufgrund derer sich reformierte Gemeindemitglieder von ihrer Kirche abwandten. 1838 gründete sich die erste altreformierte Gemeinde in Uelsen, weitere folgten in Bentheim (1840) und Emlichheim (1845). Von Anfang an gab es enge Beziehungen in die Niederlande. Gegen die altreformierte Praxis erbaulicher Predigten durch Laien, die es zuvor und gleichzeitig auch in reformierten Gemeinden gab, kam es zu massivem Widerstand. Es kam zu auferlegten Redeverboten und sogar Haftstrafen, sodass ganze Kirchenräte und viele Anhänger der altreformierten Lehre in die USA auswanderten. Erst 1848 wurde der altreformierten Kirche im Rahmen der neuen Gesetzgebung die Versammlungsfreiheit gewährt. 1923 schlossen sich die Altreformierten in Deutschland denen der Niederlande „vorläufig“ an und gehörten bis 2004 zur Gereformeerde Kerken in Nederland. In den Gemeinden nutzte man bis 1936, zum Teil auch – nach dem Verbot in der NS-Zeit – bis etwa 1965, vielfach das niederländische Gesangbuch. Seit 1950 ist die EAK als Körperschaft des öffentlichen Rechtes anerkannt, verzichtet jedoch als Freikirche auf die Einziehung einer Kirchensteuer, da sie sich direkt durch die Beiträge ihrer Mitglieder finanziert.


Glaubensinhalte

Die EAK hält am reformatorisch-calvinistischen Bekenntnis fest. Der Heidelberger Katechismus stellt daher eine wichtige Bekenntnisschrift dar, ebenso wie die Confessio Belgica und die Dordrechter Lehrsätze .


Glaubens- und Gemeindeleben

Die EAK ist in einer presbyterial-synodalen Verfassung geordnet, wobei die Beschlüsse der den Gemeinden übergeordneten Gremien verbindlich sind. Die Ortsgemeinden werden durch einen Kirchenrat geleitet, der sich aus Pastoren, Presbytern/Ältesten (auch Jugendältesten) und Diakonen zusammensetzt. In allen drei Ämtern sind Frauen paritätisch tätig. Die Amtsträger werden von der Gemeinde gewählt; Pastoren auf Lebenszeit und Presbyter wie Diakone für einen Zeitraum von vier bis sechs Jahren. Eine Leitung durch einen Bischof oder einen Kirchenpräsidenten lehnt die Freikirche ab. Höchstes Leitungsorgan ist die Synode, zu der jeder Kirchenrat zwei bis drei Vertreterinnen und Vertreter aus seiner Mitte entsendet. Die EAK pflegt über das Amt der Ältesten einen engen Kontakt zu den Gemeindeangehörigen und ihren Familien. Ein Hausbesuch durch den zuständigen Ältesten (manchmal in Begleitung mit dem Pastor) ist bei den zur Gemeinde gehörigen Familien üblich.

Mission und Evangelisation werden innerhalb der EAK eher als interne und weniger als externe Aufträge verstanden. So liegt ein Fokus auf der Gemeindeerneuerung und dem inneren und geistlichen Aufbau der eigenen Gemeinde.

Am Sonntag kommen die Gemeinden der EAK seit jeher zu zwei Gottesdiensten zusammen, sowohl am Vor- als auch am Nachmittag. Der zweite Gottesdienst (Lehr-Gottesdienst genannt) widmet sich öfters der Betrachtung und Auslegung des Heidelberger Katechismus. Er wird noch etwa in zwei Drittel der Gemeinden regelmäßig gefeiert. Nach wie vor hat der Psalmengesang eine herausragende Rolle, wobei inzwischen auch andere Gesänge in der Liturgie verwandt werden. Für den Gemeindegesang wird im Gottesdienst das Evangelische Gesangbuch (Ausgabe für die Evangelisch-reformierte Kirche und die Evangelisch-altreformierte Kirche) genutzt. Alle 150 biblischen Psalmen sind darin in Reimversen vertont. Zur Teilnahme am Abendmahl, welches mindestens an vier Sonntagen im Jahr als Gedächtnismahl gefeiert wird, werden Gäste und Kinder eingeladen. Ähnlich wie bei der Konfirmation werden jugendliche Gemeindemitglieder nach dem „Öffentlichen Glaubensbekenntnis“ vor der Gemeinde als „bekennende Glieder“ in der EAK zugelassen. Bei der Feier der Taufe werden keine Taufpaten bestimmt, da die ganze Gemeinde als Taufzeuge dient und an der Erziehung zu einem mündigen Christsein mitwirken soll.
 


Ökumene

Die EAK pflegt seit Ende des Zweiten Weltkrieges ein engeres Verhältnis zur Evangelisch-reformierten Kirche (ERK) und arbeitet in einigen Bereichen eng mit dieser zusammen, beispielsweise in der Kirchenmusik, bei der Ausbildung von theologischem Nachwuchs oder in theologischen Fragestellungen. Zudem bestehen Kanzel- und Abendmahlgemeinschaft und die Beteiligung an jeweiligen Synoden zwischen den beiden Kirchen. Seit 2007 gibt es einen Kooperationsvertrag mit der ERK und seit 2004 einen Assoziationsvertrag mit der in diesem Jahr neu gebildeten Protestantischen Kirche der Niederlande. Die EAK ist Mitglied im Deutschen Reformierten Bund (seit 1967), in der ACK Deutschland (seit 1973), in der ACK in Niedersachsen (seit 1976), im Evangelischen Missionswerk, im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung und seit 2013 in der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK bzw. engl. WCRC). Sie kooperiert seit 2013 mit der Vereinten Evangelischen Mission. Die EAK ist keine Gliedkirche der EKD.


Johannes Ebbersmeyer

gegengelesen von Gerrit Jan Beuker
 


Literatur

  • Beuker, Gerrit Jan: Altreformierte Kirchen, in: Oeldemann, Johannes (Hg.): Konfessionskunde, Paderborn 2015, 285-295.
  • Hintzen, Georg: Altkonfessionelle Kirchen, in: Kleine Konfessionskunde, hg. vom Johann-Adam-Möhler-Institut, Paderborn 1996, 326-331.
     
Zurück