Kirchliche Feiertage

Allgemeines

Liturgisches Leben ist mehr als kirchliches Feiern: Es ist religiöse Identität. Besonders die Anfänge des Christentums, aber auch sein konfessionelles Werden und Wachsen definiert(e) sich im Lauf der Kirchengeschichte und bis heute wesentlich über die Liturgie. Wie eng Glaube und gottesdienstliche Feier zusammenhängen, vermag das traditionsreiche theologische Prinzip lex orandi – lex credendi zum Ausdruck zu bringen, das heißt: Unser Beten entspricht unserem Glauben und umgekehrt, oder wie es der Dogmatiker B. Körner formuliert: Die Bedeutung der Liturgie ist „gefeierte Dogmatik“ (Körner 2014, 151).


Nicht nur die Liturgien selbst, das heißt die verschiedenen christlichen Riten und ihre (Re-)Formen, sondern auch ihre Einbettung in den liturgischen Wochen- und Jahreszyklus stellt ein gewachsenes Identitätsmerkmal nach Innen und nach Außen dar. Von Beginn an orientierte sich die Grundstruktur des kirchlichen Wochen- und Jahresrhythmus an der gemeinsamen Feier des letzten Abendmahls Jesu und besonders am Osterfest. Eng damit verbunden war die Frage, an welchem Tag der Woche Christinnen und Christen das eucharistische Mahl feiern: (weiterhin) am jüdischen Sabbat oder (auch bzw. nur) am sogenannten Herrentag, dem Sonntag? Ab dem vierten Jahrhundert setzte sich schließlich die Praxis durch, den Sonntag zu heiligen und an ihm zur liturgischen Versammlung zusammenzukommen. 


Gleichzeitig entfaltete sich das kirchliche Leben nun in raschem Tempo. Mit dem schrittweisen Werden des Christentums zur Staatsreligion des Römischen Reiches gingen Entwicklungen einher, die das Christentum sichtbarer und präsent machten. Profane Gebäude wurden zu Kirchen umgebaut oder neu errichtet. Es wurde intensiv und auf allen kirchlichen Ebenen – das heißt auf der konziliaren bzw. synodalen Ebene genauso wie in den Gemeinden – um die Bewahrung der kirchlichen Lehre und Tradition in Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Umwelt gerungen. Und nach und nach entstanden sogenannte „Liturgiefamilien“, die als liturgischer Grundbaustein dessen gelten, was wir heute Konfessionen bzw. Denominationen nennen.


Entsprechend der zentralen Bedeutung der Auferstehung Christi entwickelte sich das Osterfest als wichtigster kirchlicher Feiertag, vorbereitet durch eine 40tägige Fastenzeit und begleitet von der Feier der Karwoche mit Palmsonntag, Gründonnerstag und Karfreitag. Abhängig von Ostern sind auch die Himmelfahrt Christi (Lk 24, 50-53; Apg 1,1-10) sowie das Pfingstfest, das an die Herabkunft des Heiligen Geistes 50 (griech. Pente) Tage nach der Auferstehung (Apg. 2,1-13) erinnert. Früh wurde auch das Fest der Erscheinung des Herrn bzw. die Taufe Jesu am 6. Januar gefeiert. An einzelnen Orten hatte sich bereits im 4. Jahrhundert der 25. Dezember als Festtag der Geburt Jesu (Weihnachten) entwickelt, der sich aber erst später gesamtkirchlich durchsetzte und dem ebenfalls eine Vorbereitungszeit (im Westen Adventszeit genannt) vorgeschaltet wurde. Damit ist der kirchliche Kalender bestimmt von Festen, die auf ein bestimmtes Datum festgelegt sind und festen, deren Datum sich jedes Jahr ändert.


Neben diesen tragenden Säulen des christlichen Kalenders haben die einzelnen christlichen Kirchen eine Reihe von individuellen Feiertagen entwickelt. Oft sind diese eng mit lokalem oder regionalem Brauchtum, mit konkreter Geschichte und besonderen Personen verknüpft, z.B. mit der Verehrung von Heiligen. Bisweilen haben sich Festtage, die ihre Wurzeln bereits in der Alten Kirche haben, nicht in allen Kirchen erhalten (wie etwa das orthodoxe Fest der Großen Wasserweihe zum Gedenken der Taufe Jesu im Jordan). Andere Feste sind bedingt durch verschiedenste historische Entwicklungen erst später neu entstanden (wie etwa das katholische Fronleichnamsfest im 13. Jahrhundert auf Initiative der Ordensfrau Juliana von Lüttich). Wieder andere Feste wurden gleichsam in die Wiege neu entstehender Kirchen und Gemeinschaften hineingeboren, mit denen sie ihre zum Teil neuen Akzente im liturgischen Leben oder der Struktur ihrer Gemeinschaft betonten (wie etwa der Gelübdetag der Heilsarmee zur Feier der Berufung in den Offiziersdienst). 
 


Das Osterdatum und die Kalenderfrage

Eine ganz menschliche Erfahrung kann andeuten, was übertragen für den liturgisch-kirchlichen Bereich gilt: Je mehr mich eine Sache betrifft, je wichtiger sie mir ist und je mehr Dinge bisweilen infrage gestellt werden, die ihren scheinbar festen Weg gegangen sind, desto sensibler reagiere ich darauf. Durch die Kirchengeschichte hindurch ist dies zu beobachten, wenn es um die Frage nach dem gemeinsamen Datum des Osterfestes für die ganze Christenheit geht. Denn anders, als man anhand der vorhergehenden Ausführungen erwarten würde, feiern Christinnen und Christen bis heute an zwei unterschiedlichen Ostersonntagen diesen zentralen Festtag. Diese Ungleichzeitigkeit betrifft freilich nicht nur den Ostersonntag an sich, sondern wirkt sich auch auf die vorbereitende Fastenzeit und den weiteren Gang in Richtung Pfingsten aus. Da es sich bei der Frage, wann das Ostermysterium gefeiert wird, um alles andere als um eine liturgische Nebensache handelt, wird die innerkirchliche (und bisweilen die christlich-jüdische) Debatte regelmäßig – und zuletzt ganz aktuell an Ostern 2021 – aufgerollt.


Warum gibt es zwei verschiedene Ostertermine? Für die Beantwortung dieser Frage müssen zwei Etappen der Kirchengeschichte betrachtet werden, deren Scharnier das erste ökumenische, das heißt gesamtkirchliche Konzil der Christenheit war: das Konzil von Nizäa (325). Denn dort wurde neben dem Sonntag als heiliger Tag der christlichen Woche ebenso die Feier des Osterfestes am Sonntag nach dem ersten Frühjahrsvollmond festgeschrieben. Diese Datierung orientierte sich somit nach dem jüdischen Paschafest, setzte sich zugleich aber ganz deutlich davon ab (die Rede vom sogenannten pascha Christianorum, d.h. dem christlichen Paschafest, veranschaulicht dies). Das Konzil von Nizäa hatte den Anspruch, die Feier des Osterfestes theologisch und in der gelebten Praxis des frühen Christentums zu vereinheitlichen, was ihm auf lange Sicht auch gelang. Zu den im vierten Jahrhundert weitgehend geklärten theologischen Aspekten eines gemeinsamen Osterdatums trat eine astronomische Komponente hinzu. In den Jahren 46/45 vor unserer Zeitrechnung hatte Gaius Julius Cäsar eine Reform des römischen Zeitrechnungssystems angeordnet, die man nach ihm benannte – der Julianische Kalender. Kleine Ungenauigkeiten in der Berechnung wurden mit fortschreitender Zeit größer und sichtbarer, und die Diskrepanz zwischen dem Kalenderdatum und dem astronomischen Datum wurde im 16. Jahrhundert derart groß, dass Papst Gregor XIII. sich zum Handeln und Nachjustieren veranlasst sah. Er initiierte im Jahr 1582 eine präzisere Zeitrechnung und glich die entstandene Diskrepanz aus, indem zehn Tage aus dem Kalender gestrichen (nur so ist es verständlich, dass man über Theresa von Avila sagt, sie sei in der Nacht vom 4. auf den 15. Oktober 1582 gestorben) und die Regelung für Schaltjahre korrigiert wurde. Zwar stellte dieser so bezeichnete Gregorianische Kalender nun eine adäquatere Zeitrechnung dar, war aber zugleich der Grund dafür, warum es hinsichtlich der Berechnung des Osterdatums zu einer Bruchlinie zwischen denjenigen Ländern und Kirchen kam, die den neuen Kalender einführten, und denjenigen, die an der Datumsberechnung anhand des alten Kalenders festhielten. 


Aufgrund der unterschiedlichen Kalender gibt es in der Christenheit auch unterschiedliche Daten beispielsweise des Weihnachtsfestes. Der 25. Dezember als Tag der Geburt Jesu liegt nach julianischer Berechnung derzeit 13 Tage später als der gregorianische Termin. Die orthodoxen Kirchen, die dem julianischen Kalender folgen (Russische Orthodoxe Kirche, Serbische Orthodoxe Kirche, Bulgarische Orthodoxe Kirche, Georgische Orthodoxe Kirche sowie z.T. die orientalisch-orthodoxen Kirchen) feiern daher Weihnachten am gregorianischen 7. Januar. Die Armenisch-Apostolische Kirche feiert Weihnachten am 6. Januar (in manchen Regionen nach gregorianischem, in andern nach julianischem Kalender).  


Mit der parallelen Existenz zweier Kalender begann eine Konfliktgeschichte, in der die Kalenderfrage oft als Mittel zum Zweck für andere, meist machtpolitische Interessen ins Feld geführt wurde. Es begann aber auch eine Zeit der Vorstöße und Lösungsansätze. Die Orthodoxie (deren Mitgliedskirchen teils dem Julianischen, teils dem Gregorianischen Kalender folgen) hatte sich 1923 für einen Sonderweg entschieden, der Brücken in mehrere Richtungen schlagen sollte: Man führte einen orthodoxen Mischkalender ein, den sogenannten Meletianischen Kalender. Mit ihm wurde das julianische Osterdatum übernommen und dadurch den orientalisch-orthodoxen Kirchen angeglichen, für die restlichen Feiertage des Jahres orientierte man sich nun am Gregorianischen Kalender. Im Hinblick auf die katholischen Ostkirchen wiederum empfahl man vonseiten der Katholischen Kirche im Jahr 1965, dass diese sich nach dem Mehrheitsprinzip ihrer jeweiligen Region richten und so einen Dienst an der Einheit leisteten: Die übliche Orientierung am Kalender der Ostkirchen sollte dort zugunsten des gregorianischen Ostertermins aufgegeben werden, wo die römisch-katholische Kirche die Mehrheit bildet. 
Viele bilaterale und multilaterale Bemühungen, einen Konsens zwischen den Konfessionen zu finden, stehen bis in die jüngste Zeit zur Debatte – darunter prominent das sogenannte Aleppo-Dokument von 1997 („Towards a Common Date for Easter“), welches das Konzil von Nizäa und dessen Bemühungen um ein einheitliches Osterdatum wieder in den Mittelpunkt stellte und präzise astronomische Daten zugrunde zu legen einforderte. Gerade die Tatsache, dass die Diskussion um das Osterdatum immer wieder neu aufgerollt wird, zeugt von ihrer Dringlichkeit. Als multilateraler Brennpunkt der Ökumene wird diese Debatte auch weiterhin die theologischen wie außertheologischen Faktoren zu berücksichtigen haben, um gemeinsame Schritte in Richtung einer Lösung zu setzen.
 


Chance für die Ökumene

Eine mentalitätsgeschichtliche Erkenntnis betont, dass Trennendes zwischen den Kirchen vor allem dann als trennend wahrgenommen wurde, wenn es sichtbar und greifbar bzw. an einer bestimmten Sache konkretisierbar war. Aspekte von Liturgie, Kirchenraum und religiöser Feier erscheinen in den historischen Quellen daher oft als Symbole des Fremden, des Unvertrauten. Betrachtet man es vor dem Hintergrund heutiger jahrzehntelanger ökumenischer Lernerfahrungen, gibt es umgekehrt keinen besseren Weg als das religiöse Feiern, um das kirchliche Gegenüber kennenzulernen und sich mit hineinnehmen zu lassen in seine Welt. Die Liturgie, besonders Feste und religiöse Feiertage, stellen von daher zugleich eine Herausforderung und eine Chance für die Ökumene dar: Weil Liturgie der sichtbare, kerygmatische Ausdruck religiöser Identität ist, nimmt man an ihr mehr als auf andere Weise Unterschiede zu dem wahr, wie die eigene Tradition das christliche Fundament liturgisch weitertradiert hat. Ökumenisches Gebet wird nicht selten als schmerzlich(er) oder fragiler erfahren, weil mehr als anderswo zum Ausdruck kommt, welche Hindernisse noch zwischen den Kirchen und Gemeinschaften auf dem Weg hin zur vollen Einheit stehen. Kirchliches Feiern ist aber auch der Ort der Gastfreundschaft und der Begegnung, des hineingenommen Werdens und des aufeinander Zugehens. Dass ökumenische Bemühungen auf die Zukunft – d.h. auf die volle und sichtbare Einheit aller christlicher Kirchen – ausgerichtet sind, ist der Sache nach selbstverständlich. Dass umgekehrt aber auch diese Zukunft wesentlich davon geprägt sein wird, wie wir heute schon miteinander umgehen, kann nicht oft genug bewusst gemacht werden.

Andrea Riedl
 


Literatur

Auf der Maur, Hansjörg: Feiern im Rhythmus der Zeit I. Herrenfeste in Woche und Jahr, Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft Teil 5, Regensburg 1983.

Bieritz, Karl-Heinrich: Das Kirchenjahr. Feste, Gedenk- und Feiertage in Geschichte und Gegenwart, München 1998.

Gemeinsame Kommission der Deutschen Bischofskonferenz und der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland: Das Kirchenjahr in der Tradition des Ostens und des Westens, Bonn 2019, https://www.dbk-shop.de/media/files_public/9dc386494c9c021b503cce6b241e76fb/DBK_5310.pdf.

Groen, Basilius J. Bert: Calendrical Labyrinth and Paschal Envisioning: Ecumenical Perspectives on the Thorny Path towards a Common Easter Date, https://www.pro-oriente.at/resmedia/upload//documents/Calendrical_labyrinth_and_Paschal_Envisioning_c_Bert_Groen.pdf.

Heller, Dagmar: Das Osterdatum - kirchentrennend?, in: Ökumenische Rundschau 4/1997, 456-466. 
 

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