Utrechter Union der altkatholischen Kirchen

Geschichte

Die Utrechter Union entstand 1889 durch den Zusammenschluss der alt-katholischen Bischöfe der Niederlande, Deutschlands und der Schweiz. Ein Jahr später schloss sich auch der Bistumsverweser der alt-katholische Kirche in der damaligen Habsburgermonarchie an; um die Wende zum 20. Jahrhundert folgten weitere alt-katholische Bischöfe mit ihren Kirchen. Gemeinsam bilden die Bischöfe die Internationale Bischofskonferenz (IBK).

Es werden drei Gruppen alt-katholischer Kirchen unterschieden: erstens die Alt-Katholische Kirche der Niederlande. Hier kam es 1723/24 zum Schisma zwischen Rom und Utrecht. Aus den Protestbewegungen gegen das Erste Vatikanische Konzil (1869/70) entstanden zweitens in den 1870er Jahren Bistümer für Alt-Katholikinnen bzw. Alt-Katholiken in Kirchen in Deutschland, der Schweiz und der Habsburgermonarchie (heute Österreich). Ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert schlossen sich in Europa und den Vereinigten Staaten entstandene ethnisch-national orientierte kirchliche Bewegungen ebenfalls der Utrechter Union an.

Heute gehören der «Utrechter Union der Alt-katholischen Kirchen», die sich als «Gemeinschaft von Kirchen und der sie leitenden Bischöfe» (Präambel Statut) beschreibt, die folgenden Kirchen an, die insgesamt etwa eine halbe Million Mitglieder repräsentieren: die Oud-katholieke Kerk van Nederland, das Katholische Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland, die Christkatholische Kirche der Schweiz, die Altkatholische Kirche Österreichs, die Altkatholische Kirche in der Tschechischen Republik und die Polnisch-Katholische Kirche in Polen. Außerdem gehören mehrere «unselbstständige Kirchen und Gemeinden dazu, die unter der Jurisdiktion der Internationalen Bischofskonferenz» stehen: die alt-katholischen Kirchen in Kroatien und in der Slowakei sowie die frankophone alt-katholische Mission in Frankreich und in Belgien. Früher gehörten der Utrechter Union auch die altkatholische Kirche der Mariawiten in Polen (1909-1924), und 1907-2003 auch die amerikanische Polish National Catholic Church (PNCC) an. Letztere schied aus, nachdem ab 1996 verschiedene westeuropäische alt-katholische Kirchen das Priesteramt für Frauen geöffnet hatten. Früher bestehende «Missionen» in Italien und in Schweden wurden 2010 bzw. 2016 aufgehoben.

 


Gründung

Die Utrechter Union beruht auf drei Dokumenten, der sog. Utrechter Konvention. In der Utrechter Erklärung vom 24. September 1889 legten die Bischöfe zentrale theologische Überzeugungen dar: das Festhalten am Glauben der Alten Kirche des ersten Jahrtausends; die Ablehnung der vatikanischen Dekrete vom 18. Juli 1870 bei gleichzeitiger Anerkennung des historischen Ehrenprimats (primus inter pares) des Bischofs von Rom; die Ablehnung des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis Marias (1854) und weiterer Dekrete, «soweit sie mit der Lehre der alten Kirche in Widerspruch stehen»; eine Willenserklärung zur Überwindung der Kirchenspaltungen auf der Grundlage der alten Kirche und auf dem Weg des theologischen Dialogs. Im Jahr 2000 gab sich die IBK ein Statut, zu dem eine innere Ordnung (früher «Vereinbarung») und eine Geschäftsordnung (früher «Reglement») gehören. Außerdem wurden in einer neuen Präambel die ekklesiologischen Grundlagen festgehalten, wie etwa die Katholizität der Ortskirche und die Rolle des Bischofs in ihr. Die «innere Ordnung» umschreibt die Voraussetzungen der Mitgliedschaft in der IBK und die Aufgabenbereiche der IBK. Jeder Bischof hat die Utrechter Erklärung zu unterzeichnen und verpflichtet sich auf Einhaltung des Statuts. Nach innen fasst die IBK Beschlüsse in allen organisatorischen und disziplinären Fragen, die die Aufrechterhaltung der Gemeinschaft betreffen und nimmt Stellung in Fragen des Glaubens, der Kirchenordnung und aktueller ethischer Fragen. Nach außen ordnet die IBK die Beziehungen zu anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften. Dies betrifft etwa die volle Gemeinschaft mit der Anglikanischen Kirchengemeinschaft (1931) oder mit der Iglesia Filipina Independiente (1965), den 1985 abgeschlossenen Dialog mit der gesamten Orthodoxie oder den 2016 beendeten internationalen Dialog mit der Römisch-Katholischen Kirche. Ausserdem leitet die IBK Meinungsbildungsprozesse in den genannten Fragen in gesamtaltkatholischen Gesprächsforen wie den Altkatholikenkongressen oder Theologenkonferenzen (s.u.) ein. Die IBK fasst ihre Entscheidungen bei den genannten Fragen einstimmig oder einmütig. Sie übt als solche keine direkte Jurisdiktion über die einzelnen alt-katholischen Kirchen aus.

Die Gründung der Utrechter Union kann als Prozess einer Internationalisierung des Altkatholizismus betrachtet werden; auf internationaler Ebene entstanden seit 1889 verschiedene weitere internationale Organe und Gremien: ab 1890 wurden die bisher nationalen Alt-Katholikenkongresse internationalisiert; 1893 wurde eine internationale akademische Zeitschrift begründet, nach dem Zweiten Weltkrieg die internationalen Alt-Katholischen Theologentagungen, sowie internationale Zusammenschlüsse der Frauenverbände (1934 bis Anfang der 1950er Jahre), der Jugend, der diakonischen Organisationen und 1990 ein Internationales Laienforum. Die Gremien und Organe haben zwar keinen rechtsverbindlichen Charakter, sie nehmen jedoch in der Praxis viel Einfluss auf theologische Reflexionsprozesse und organisatorische Vernetzung innerhalb der alt-katholischen Kirchen.

Angela Berlis

 


Literatur

Suter, Adrian / Berlis, Angela / Zellmeyer, Thomas: Die Christkatholische Kirche der Schweiz. Geschichte und Gegenwart, Zürich (TVZ) 2022 , Kap. 1: Historische Ausprägungen des Altkatholizismus (im Druck).

von Arx, Urs / Weyermann, Maja (Hg.): Statut der Internationalen Altkatholischen Bischofskonferenz (IBK). Offizielle Ausgabe in fünf Sprachen. Internationale Kirchliche Zeitschrift 91 (2001).


Internetquellen

Offizielle Website (mit Grundlagentexten und Texten zum ökumenischen Selbstverständnis und Anliegen, eine Übersicht über die Mitgliedskirchen sowie aktuelle Stellungnahmen und Entwicklungen)

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