Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden

Geschichte

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden (ELKiB) entstand ab 1850 als Reaktion auf die bereits 1821 im damaligen Großherzogtum Baden durchgeführte Union lutherischer und reformierter Gemeinden zur „Vereinigten Protestantischen Landeskirche im Großherzogtum Baden“. Den Nährboden für die sich entwickelnde Trennung bildete der aufkommende lutherische Konfessionalismus als Reaktion auf die liberale Theologie Mitte des 19. Jahrhunderts. Konkret begannen die Geburtswehen der lutherischen Gemeinden in Baden, als der im Dienst der unierten Landeskirche tätige Pfarrer Karl Eichhorn in Nußloch 1850 seinen Austritt aus der Landeskirche erklärte. Als Anlass hierfür benannte er § 2 der Unionsurkunde, welcher nach seiner Ansicht „das schriftgemäße lutherische Bekenntnis als ungültig und unberechtigt erklärte“. Sein Austritt erregte Aufsehen. Bereits im April 1851 richtete die neu formierte lutherische Gemeinde aus Ihringen bei Freiburg die Bitte um freie Religionsausübung und kirchliche Anerkennung an das badische Ministerium des Innern sowie um Anerkennung von Pfarrer Eichhorn zum Geistlichen der Gemeinde. Die Bitte wurde abgelehnt. Da Eichhorn aber trotz des Verbotes in Ihringen kirchliche Dienste ausübte, wurde er aus Baden ausgewiesen und zeitweise gefangen gesetzt. 1853 wurde den Ihringern seitens der Regierung Duldung in Aussicht gestellt. Mittlerweile hatten sich weitere Lutheraner in Karlsruhe, Durlach, Bretten und Lörrach formiert, und auch Gegner der Union aus Lindelbach erklärten 1853 ihre Solidarität mit den übrigen Lutheranern in Baden. 

Unabhängig von den unter Eichhorn vereinigten Lutheranern war 1855 in Ispringen bei Pforzheim unter dem dortigen Pfarrer Haag eine lutherische Bewegung entstanden, der der Gebrauch des Kleinen Lutherischen Katechismus und der altbadischen Agende beim Abendmahl wichtig war. Die Bestätigung von Pfarrer Haag als Geistlicher in Ispringen wurde allerdings abgelehnt. Am 21. November 1856 erhielten die Lutheraner in Baden ihr Duldungsedikt. Wenig später wurde Pfarrer Max Frommel vom Ministerium des Innern als Pfarrer in Ispringen bestätigt, der sich in der Folgezeit zur zentralen und prägenden Figur der lutherischen Bewegung in Baden entwickelte. Es kam allerdings zu einer Spaltung der Bewegung, als Pfarrer Haag, Eichhorn und Frommel sich trennten. Eichhorn verließ Baden endgültig 1867 und Haag gründete 1862 die Gemeinde Sperlingshof, die sich theologisch mit der Evangelisch-Lutherischen Freikirche in Sachsen verbunden fühlte und Kontakt zu den Missouriern hielt, einem amerikanischen Reimport der 1838 aus Leipzig ausgewanderten Lutheraner. Frommel selbst stand den Altlutheranern aus Schlesien und Pommern nahe. Formal trennten sich jedoch die Ispringer, als sie sich 1865 vom Verband des Breslauer Oberkirchenkollegiums lossagten und sich als evangelisch-lutherische Kirchengemeinde in Baden konstituierten. Die Frommelsche Prägung hat sich in der Folgezeit durchgesetzt. Ispringen wurde zur Muttergemeinde mit den Filialgemeinden Karlsruhe und Ihringen. 1876 kam als Tochtergemeinde Baden-Baden hinzu. Diese Gemeinden schlossen sich später unter dem Namen „Vereinigte evangelisch-lutherische Gemeinden im Großherzogtum Baden“ zusammen. Erst nach dem 1. Weltkrieg bekamen die badischen Lutheraner 1919 ihre Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechtes. 1926 gab die Synode der Kirche ihren heutigen Namen. 


Aufbau

Vorsitzender der Kirchenleitung wurde ein Pfarrer mit dem Titel Superintendent. Für die Organisation und den Aufbau der Kirche prägend ist die Synodalstruktur. Nach dem 2. Weltkrieg gelang es, Lutheraner, welche aus den ehemaligen Ostgebieten zugewandert waren, in den Gemeinden Steinen und Pforzheim zu sammeln, so dass die Kirche mit Pforzheim, Ispringen, Karlsruhe, Baden-Baden, Freiburg und Lörrach-Steinen sechs Gemeinden bzw. Predigtstellen hat. Zwischenzeitlich hatte es noch in Müllheim eine Kirche gegeben, welche jedoch im Oktober 2020 entwidmet wurde. Seither ist die Gemeinde in Müllheim zu Gast in der Friedenskirche in Müllheim-Vögisheim.


Bekenntnis

In der Präambel der Ordnung vom Januar 2013 bekennt sich die ELKiB zur Heiligen Schrift als der einzigen Richtschnur der Lehre, hält an den drei altkirchlichen Bekenntnissen sowie den lutherischen Bekenntnissen fest, d.h. der Augsburgischen Konfession invariata und deren Apologie, den Schmalkaldischen Artikeln, Luthers Großem und Kleinem Katechismus und der Konkordienformel.


Ökumene

Die ELKiB ging in ihrer Geschichte Verbindungen mit lutherischen Gemeinden in Hessen und Hannover ein und war zeitweise auch Mitglied einer Vorgängerkirche der heutigen SELK, die sie jedoch 1965 verließ. Seit 1968 ist sie Mitglied des LWB und ständiger Gast in der Generalsynode der VELKD und deren Bischofskonferenz (Sie hat damit den gleichen Status wie die Landeskirchen in Württemberg und Oldenburg und die Lutherische Klasse der Lippischen Landeskirche). Seit 1983 besteht Kirchengemeinschaft mit der SELK, die jedoch wegen der 1994 eingeführten Frauenordination seitens der SELK wieder teilweise in Frage gestellt wurde. 2011 wurde erstmals eine Pfarrerin auf eine der Pfarrstellen der ELKiB berufen. 

Derzeit kann die ELKiB in ihrer Bindung an das lutherische Bekenntnis nicht mit allen Kirchen, die die Leuenberger Konkordie angenommen haben, Kirchengemeinschaft erklären und sieht sich selbst auch nicht in der Lage, der Leuenberger Konkordie zuzustimmen. Für das Verhältnis zur Evangelischen Landeskirche in Baden hat sie 1996 eine gemeinsame Erklärung angenommen. Die ELKiB ist Gründungs-Mitglied der ACK in Baden-Württemberg. Waren es seinerzeit überwiegend Fragen rund um das Abendmahl gewesen, welche die Separation ausgelöst hatten, so kann die ELKiB heute nach einer bewegten Geschichte aufgrund ihrer Lebensordnung „eucharistische Gastfreundschaft“ folgendermaßen erklären: „Jeder, der die Gabe des Abendmahls - Leib und Blut Christi unter Brot und Wein zur Vergebung der Sünden - begehrt, darf in den Gemeinden der Evangelisch-Lutherischen Kirche zum Tisch des Herrn kommen.“ Den Gliedern der ELKiB, die der Einladung des Herrn zum heiligen Abendmahl in einer anderen Kirche folgen wollen, ist dies möglich, wenn sie es mit ihrem Glaubensverständnis vereinbaren können. 


                                        Markus Roser

gegengelesen von Christian Bereuther


Literatur

Wilhelm Mayer, Die staats- und kirchenrechtliche Stellung der evangelisch-lutherischen kirchlichen Gemeinschaft in Baden, Inaugural-Dissertation, Heidelberg 1929.

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