Orden/Mönchtum

Begriffserklärung

Unter „Mönchtum“ versteht man eine umfassende asketische Lebensweise, die sich ab dem 3. Jahrhundert in der ganzen Christenheit verbreitet und im Lauf der Zeit in vielfältigen Formen entwickelt hat. Charakteristisch ist die lebenslange Verpflichtung durch Gelübde bzw. Profess. Im Unterschied zur Ostkirche wurden die Lebensformen und klösterlichen Gemeinschaften in der abendländischen Kirche ab dem Mittelalter in „Orden“ organisiert und zahlreiche neue Orden mit variierenden Schwerpunkten gegründet. In den Kirchen der Reformation fand das Ordensleben de facto ein Ende, wurde aber im 20. Jahrhundert mit der Gründung einzelner Kommunitäten wiederentdeckt.


Gemeinsame Grundlagen

Die Wurzeln des Mönchtums reichen zurück zu den Asketen in den frühchristlichen Gemeinden. Die „evangelischen Räte“ Armut, Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen (Mt 19,12; 1 Kor 7,32-35) und Gehorsam (Phil 2,8; Joh 5,30) in Nachahmung Christi sind bis heute konstitutiv für diese Lebensweise und bilden die drei zentralen Gelübde vieler Orden. Sie sollen zu einem „engelgleichen Leben“ (vgl. Lk 20,34ff) in ungeteilt-liebender Freiheit für Gott und den Nächsten führen. Herzschlag hierfür ist das Gebet. Zu dessen Vertiefung werden u.a. auch Fasten, Wachen und die entschiedene Ausrichtung auf Christi Wiederkunft geübt (z.B. 2 Kor 6,4-7; Eph 6,10-18) – Pfeiler christlicher Askese.

Als die Gemeinden wuchsen und der Ursprungselan schwand, zogen sich immer mehr Asketen zurück in die Einsamkeit und wurden Anachoreten, Einsiedler bzw. Eremiten (eremos: Wüste), eben Mönche (monachos: allein Lebender).

In der Vita Antonii (um 358) werden die Anfänge der Bewegung exemplarisch greifbar. Als Urimpuls für das Mönchtum erscheint hier das von Antonius in der Liturgie existenziell gehörte Wort Christi von der Vollkommenheit und Nachfolge (Mt 19,21). Diese versteht er zunächst als Weg nach innen, hin zur ungetrübten Gemeinschaft mit Gott (vgl. z.B. Joh 14f; 1 Kor 3,16), der ihn nach jahrzehntelanger Auseinandersetzung mit dem Bösen zu einem „gottbegeisterten“, im „Innern reinen“ Menschen reifen lässt, durch den der Herr wirkt. Nun hilft Antonius Unzähligen als Heiler von Krankheiten, Befreier vom Bösen, Tröster, Versöhner, Friedensstifter, Ratgeber und Lehrer.

Um solche Wüstenväter bilden sich Gemeinschaften und ganze Einsiedlerkolonien mit zum Teil Hunderten von Mönchen, die sich gegenseitig helfen. Evagrius Ponticus (345–399) hat als erster mündliches Traditionsgut ägyptischer Anachoreten schriftlich konzeptualisiert für den geistlichen Kampf hin zur Leidenschaftslosigkeit (apatheia) in gotterfüllter Stille (hesychia) und reinem unablässigen Gebet (vgl. 1 Thess 5,17; Lk 18,1), gerade auch für die ganze Welt. Ein Mönch ist für ihn, „wer von allen getrennt und mit allen verbunden ist“ (orat. 124). Das Leben in Umkehr und Buße und der Kampf gegen das Böse im eigenen Herzen (militia Christi) werden auch stellvertretend geführt, als Teil des Leibes Christi, der Kirche, und im Hinblick auf die Heiligung der Welt.

Pachomius gründet nach einer anachoretischen (Lehr-)Zeit Gemeinschaftsklöster nach dem Ideal urchristlicher Lebens- und Gütergemeinschaft (Apg 4,32-37), in die Tausende Mönche und Nonnen eintreten. Er verfasst als erster eine Regel als Richtmaß für alle (ohne Extreme) und wird so zum Begründer des Koinobitentums (koinos bios: gemeinsames Leben). Gotteslob und Arbeit sind gemeinsam geregelt, die Heilige Schrift soll möglichst auswendig gelernt und ständig meditiert werden. Zur anachoretischen Tugend-Askese wie Demut, Sanftmut (vgl. Mt 11,29), Schweigsamkeit (Mt 26,63), Geduld, Achtsamkeit etc. kommt der tägliche Dienst am Nächsten hinzu.

Ab der Mitte des 4. Jahrhunderts finden sich Mönche überall um das Mittelmeer. Protagonisten wie die Heiligen Antonius (251-356), Pachomius (um 291-346), Makarius (um 300-390), Basilius (um 330-379), Euthymius (376-473) – alle mit dem Beinamen „der Große“ –, im Westen Martin von Tours (um 316-397), Johannes Cassian (um 360–435) und viele andere inspirieren durch ihr Leben und Wort Massen zur Nachahmung oder zu einem vertieften Christsein gerade auch in den Städten. Pilger suchen bekannte Herzenskenner, Therapeuten und Wundertäter auf mit der Bitte um Rat und Weisung.

Mit variierender Gewichtung der Brennpunkte

  • Gott und den Menschen dienen (Pachomius)
  • Kontemplation und Aktion
  • Gebet und Arbeit (und Lesung) – ora et labora (et lege)

entstand eine Vielfalt an Lebensformen:

  • Wüstenväter und -mütter, v.a. in Ägypten, Palästina
  • Semi-Anachoreten in Lawren, zuerst in der Judäischen Wüste
  • Großklöster, z.B. Pachomius, Schenute oder in Lérins
  • Kleinbruderschaften auf Landgütern, z.B. Basilius in Kleinasien
  • Wandermönchtum im Anschluss an die Wanderapostel
  • Säulensteher wie Simeon Stylites in Syrien 
  • Klerikergemeinschaften nach der Regel des Augustinus von Hippo
  • Basilika- und Stadtklöster 
  • U.a.

Ostkirchliches Mönchtum

Das ostkirchliche Mönchtum basiert auf der heiligen Überlieferung der Väter (wie den Regelwerken des Basilius, der „Klimax“ des Johannes vom Sinai u.a.). In der byzantinischen Tradition regelt das „Typikon“ die umfangreichen Gottesdienst- und Fastenvorschriften. Zum gemeinsamen Gotteslob kommt das individuelle Gebetspensum in der Zelle. Zentral ist dabei oft das Jesusgebet, das auch mit der Handarbeit verbunden wird. Manche Klöster pflegen publizistische oder karitative Tätigkeiten. Die Aufnahme neuer Mönche und Nonnen vollzieht sich je nach Ortsbrauch stufenweise bis hin zur Mönchsweihe (Noviziat, Rasophoria, Kleines und Großes Schima).

Klöster spielen eine wichtige Rolle als geistliche Zentren, aber auch weil die Bischöfe dem Mönchtum entstammen. Auf dem Hl. Berg Athos, einer Mönchsrepublik in Griechenland, existieren 20 Großklöster, unzählige kleinere Gemeinschaften (Skiten und Kellien) verschiedener Nationalitäten sowie Einsiedler nebeneinander.


Katholische Orden

Im Westen unterschieden die Karolinger ab dem 9. Jahrhundert die Kanoniker- von den Mönchs- und Nonnengemeinschaften und gaben letzteren die Benediktregel (RB) zur Norm. Diese betont die Traditionskontinuität (mit Verweis auf die Schriften Basilius und Cassians) und die „maßvolle Unterscheidung“ (discretio) als „Mutter aller Tugenden“ (RB 64,18f), um „unter der Führung des Evangeliums“ Gottes Wege zu gehen, „damit wir ihn schauen dürfen, der uns in sein Reich gerufen hat.“ (RB Prol. 21)

Die drei Mönchs-Gelübde Orts-Beständigkeit (stabilitas loci), klösterlicher Lebenswandel (conversatio morum, inkl. persönlicher Armut und Keuschheit) und Gehorsam zielen auf hörende Ganzhingabe, innere Stabilität und Harmonie. Hierfür weist die RB den monastischen Kernvollzügen Gebet, (Hand-)Arbeit und (geistliche) Lesung – zur Hinordnung von Herz, Leib und Geist auf Gott – ausgewogene Zeiten zu. Dazu kam die Pflege der Wissenschaften.

Gegen weltliche Einflussnahme, Verzweckung und Dekadenz wandten sich verschiedene Reformbewegungen (z.B. Cluny), wobei aus den Benediktinern u.a. die Zisterzienser und Trappisten hervorgingen. Zusammen mit den Kartäusern, die im 11./12. Jahrhundert an die semi-eremitischen Lawren mit strengem Schweigen anknüpften, bilden sie die kontemplativ ausgerichteten „monastischen Orden“. Sie waren Glaubens-, Kultur-, Bildungs- und Innovationsträger (Landwirtschaft, Handwerk etc.) des Abendlands.

Als Antwort auf Gottes Ruf in den Nöten und Zeichen der Zeit bildeten sich weitere Orden mit adäquaten Schwerpunkten in Spiritualität und Tätigkeit. Die Bettelorden reagierten im 13. Jahrhundert auf soziale und gesellschaftliche Spannungen in den wachsenden Städten. Als arme Gemeinschaften unter dem Volk leisten sie Hilfe und predigen – die Franziskaner eher in Verbindung mit der Seelsorge, die Dominikaner mit theologischer Wissenschaft und Katechese (auch gegen „Häresien“). Die Karmeliten (gegründet im 12. Jahrhundert als Eremitenorden) und die Augustiner-Eremiten sind ebenfalls stark seelsorgerisch ausgerichtet. Die Karmelitinnen (15. Jh.) leben wie die Klarissen (13. Jh.) kontemplativ in strenger Klausur.

Seit der Frühen Neuzeit wächst die Vielzahl an Gemeinschaften, die Kirche und Gesellschaft(en) mitgestalten und -prägen, beträchtlich. Der bekannteste Orden unter den Regularklerikern sind die Jesuiten (1540, weibliches Pendant ist die Congregatio Jesu, 1609). Durch straffe Organisation und ihr Engagement in Predigt, Seelsorge und Bildung auf allen Ebenen trugen sie maßgeblich zur Reform der katholischen Kirche bei (Gegenreformation).

In der Aufklärung wurden v.a. die kontemplativen Orden kritisiert. Die Säkularisation (1803) führte auf deutschem Gebiet zur Enteignung und Aufhebung der meisten Klöster. Viele wurden wieder besiedelt sobald dies möglich war (Metten als erstes Benediktinerkloster 1830) und gelangten zu neuer Blüte im 19. Jahrhundert. Missstände in Krankenpflege, Volksbildung und Kinderfürsorge gaben vielfach Anstoß zu Neuaufbrüchen des Ordenslebens und zur Gründung zahlreicher neuer Gemeinschaften: Klerikale und Laienkongregationen (z.B. Salesianer), Gesellschaften des apostolischen Lebens (z.B. Vinzentinerinnen) und Säkularinstitute (deren Mitglieder überwiegend nicht in Klöstern zusammenleben). Evangelischerseits wurde dieses Anliegen u.a. durch die Diakonissen aufgegriffen, die jedoch nicht im eigentlichen Sinn zu den Orden zählen.


Reformation und evanglische Gemeinschaften

Martin Luther lehnte Ordensgelübde nicht grundsätzlich ab, betonte aber die dazu notwendige Freiheit (gegen den lebenslang bindenden Charakter) und warnte vor Werkgerechtigkeit. Den Reformatoren ging es v.a. um die Abschaffung von Missständen und Überhöhungen von Ordensstand bzw. -gelübden (etwa als eine Art „zweite Taufe“ mit sündenvergebender Wirkung), wie manche durchaus positive Aussagen zum Ordenswesen zeigen. Dennoch kam es in den evangelischen Regionen über kurz oder lang zum Erliegen des Ordenslebens im engeren Sinn. Einzelne Frauenklöster wurden in weltliche Damenstifte (ohne Gelübde) umgewandelt. Einige Männerkonvente schlossen sich als Ganze der Reformation an, die Konventualen wurden meist evangelische Geistliche. Mancherorts bestehen lose, nicht im Kloster residierende „Konvente“ verschiedener Ausrichtungen bis heute fort.

Nach Ansätzen im Pietismus entstanden die ersten Kommunitäten mit gemeinsamem Leben nach dem Zweiten Weltkrieg, z.B. die Evangelische Marienschwesternschaft mit einem Akzent auf Buße und Umkehr (1947), die an den drei evangelischen Räten ausgerichtete Christusbruderschaft Selbitz (1949), die Communität Casteller Ring im Geist der Benediktregel (1950), die Kommunität Imshausen (1955), die Christusträger-Bruderschaft (1961) und die Kommunität Adelshofen (1962). Weitere Gemeinschaften wie die Michaelsbruderschaft haben sich ordensähnliche Regeln gegeben, leben aber im Alltag nicht zusammen.

Auch in der anglikanischen Kirche gibt es heute wieder zahlreiche Ordensgemeinschaften von Männern und Frauen, selbstständige Abteien, Priorate und Konvente, oft benediktinisch oder franziskanisch ausgerichtet.


Ökumenische Gemeinschaften und Dynamik

In der Communauté de Taizé/Frankreich (1940) leben ca. 100 Brüder aus verschiedenen Konfessionen und Nationen nach einer eigenen Regel. Ihre Gesänge fanden weite Verbreitung durch ökumenische Jugendtreffen. Wie Taizé haben auch die Ökumenische Kommunität von Grandchamp/Schweiz (1940er-Jahre, ca. 50 Schwestern nach Taizé-Regel) und die Jesus-Bruderschaft (1961) im Kloster Gnadenthal „evangelische Wurzeln“. Katholischen Ursprungs ist die monastische Gemeinschaft von Bose/Italien (1965) mit ca. 85 Brüdern und Schwestern verschiedener Konfessionen. Sie legt besonderen Wert auf die Schriftlesung (lectio divina) und ist bekannt für ihre internationalen Konferenzen.

Zur lebendigen Vermittlung ostkirchlicher Spiritualität feiern zwei katholische Benediktinerabteien, in Chevetogne und in Niederaltaich, Gottesdienste parallel im römischen und im byzantinischen Ritus. Jüngere Gemeinschaften integrieren in ihr Stundengebet traditionelle Elemente der Ostkirche, z.B. die monastische Familie von Betlehem mit kartusianischer Lebensweise und die Gemeinschaften von Jerusalem mit einer Spiritualität der Wüste nach Charles de Foucauld in der „Einsamkeit“ heutiger Städte.

Die Kleinen Schwestern und Brüder vom Lamm wiederum verkündigen den Glauben franziskanisch-dominikanisch in radikaler Armut – entgegen dem Trend mit steigenden Neueintritten. Dies deutet die stetige Dynamik des Ordenslebens an; auch wenn die Mitgliedszahlen in Europa schwinden, entstehen hier und v.a. auf anderen Kontinenten neue Klöster und Lebensformen.

Mönchtum und Ordensleben sind letztlich Antwort auf Gottes Liebe mit der Sehnsucht, seinem Frieden im Heiligen Geist sowie dem Streben nach Einheit mit Gott, sich selbst und allen Mitgeschöpfen Raum und eine bewährte Form zu geben. Dieses Streben nach Einheit in Vielfalt macht offen für den (ganz) Anderen und so in der Regel auch ökumenisch sensibel. Nicht zuletzt hierin gründet die aktuelle (auch mediale) Faszination von Klöstern, die durch ihre Angebote – geistliche Begleitung, Gastfreundschaft, Erwachsenenbildung, Publikationen etc. – getragen von und eingebettet in die Feier des Gotteslobs in Kirche und Gesellschaft ausstrahlen.

Johannes Hauck OSB


Literatur

Ausführlichere Darstellung:
https://www.abtei-niederaltaich.de/spiritualitaet/moenchtum-in-der-oekumene 

Externe Links zu kirchenoffiziellen Dokumenten (Auswahl): 

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