Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland (AMG)

Gegenwärtige Situation

Die Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland K.d.ö.R. (AMG) repräsentiert ca. 4200 Mitglieder (hinzu kommen, wie bei allen Kirchen, die die Gläubigentaufe praktizieren, zahlreiche Kinder und Jugendliche sowie Freundinnen und Freunde der Gemeinden); das sind ca. 10 % aller Mennoniten  in Deutschland. Die AMG mit 52 Gemeinden ist die 1991 gegründete bundesdeutsche Arbeitsebene dreier Verbände: 

Diese drei Verbände sind teilweise nochmals intern gegliedert: Der VdM in den „Verband der Mennonitengemeinden in Baden-Württemberg K.d.ö.R.“ (11 Gemeinden / 673 Mitglieder) und die „Vereinigung Bayerischer Mennonitengemeinden K.d.ö.R.“ (9 / 422), hinzu kommt u.a. die Gemeinde in Halle/Saale; innerhalb der VDM gibt es die „Konferenz der nordwestdeutschen Mennonitengemeinden GbR“. (Die nebeneinander benutzten Bezeichnungen „Arbeitsgemeinschaft“, „Verband“, „Vereinigung“ und „Konferenz“ sind rechtlich bzw. inhaltlich nicht scharf voneinander abgegrenzt. – Alle Zahlen gemäß Mennonitisches Jahrbuch 2022). Fast alle Gemeinden schrumpfen, allerdings gibt es auch Gemeindegründungsprojekte.

Die AMG ist auch das Dach für eine Reihe von Komitees, Werken, Diensten, Bildungs- und Forschungseinrichtungen, die teilweise als e.V. eigenständig arbeiten, vgl. Liste und Organigramm auf der Netzseite der AMG.


Geschichte

Die älteste Gemeinde, Emden, besteht seit 1530 und ist damit zugleich die älteste freikirchliche Gemeinde in Deutschland, gegründet nur fünf Jahre nach der ersten Gläubigentaufe „täuferischer“ Tradition 1525. Die Gemeinde Leer-Oldenburg geht bis 1540 zurück, gegründet fünf Jahre nach dem blutigen Ende des „Täuferreichs“ von Münster 1535. In diesen sowie weiteren Gemeinden des niederländisch-norddeutschen Raumes sammelten sich unter Einfluss von Menno Simons Gläubige, die dem gewaltfreien Teil der Täufer angehörten. Äußere Ereignisse bzw. politische Entscheidungen führten in den nächsten Jahrhunderten teils zu Aus-, teils zu Einwanderung in Gebiete des heutigen Deutschlands und im zweiten Fall zur Gründung neuer Gemeinden. Relativ günstig für die Siedlungsmöglichkeiten von Mennoniten war die politische Geschichte der Kurpfalz und nachfolgend der Pfalz. Vom erheblichen Aufschwung mennonitischen Lebens in Deutschland durch die Aussiedlung aus der UdSSR seit den 1970er-Jahren profitierten die in der AMG zusammengeschlossenen Verbände kaum, da die russlanddeutschen Mennoniten sich zumeist in eigenen Gemeinden und Verbänden organisieren. Die zur AMG gehörenden Gemeinden liegen historisch bedingt, außer in Norddeutschland, zumeist in kleinen Städten oder auch Dörfern; die Großstadtgemeinden sind vielfach relativ klein (Ausnahmen z.B. Hamburg und Krefeld).


Glauben und Spiritualität

Innerhalb der deutschen Mennoniten bilden die von der AMG repräsentierten Christen theologisch den progressiven Flügel. Die Gemeindemitgliedschaft hängt wie in Freikirchen üblich am persönlichen Bekenntnis des Glaubens (nicht aber an einem konkreten tradierten Glaubensbekenntnis). Äußeres Zeichen dafür ist die Taufe von Glaubensmündigen. Die Bibel wird hoch geschätzt; die Gemeinde bildet die Auslegungsgemeinschaft (es gibt kein Lehramt) und die entscheidende Organisationsgröße (Kongregationalismus); die AMG ist kirchenverfassungsrechtlich nur im vermittelten Sinn „Kirche“ (vgl. Weiss: 84). 

Die meisten Gemeinden beschäftigen eine hauptamtliche Kraft (oft in Teilzeit), etwa in der Hälfte der Gemeinden trägt diese den Titel „Pastor" bzw. "Pastorin“. Die Predigt von Laien hat eine lange Tradition. Die mennonitische Abendmahlspraxis weist sowohl geschichtlich als auch in der Gegenwart Schwankungen bzw. Entwicklungen auf, neuerdings insbesondere hinsichtlich der Frage, ob die Taufe Zulassungsbedingung ist. Die Gottesdienstfrequenz ist wegen der geringen Zahl der teilweise verstreut wohnenden Gemeindeglieder häufig 14-tägig oder monatlich, und als Gottesdienstort dienen bisweilen Häuser anderer Kirchen.


Ethik

Zentrale Merkmale mennonitischer Ethik sind Gastfreundschaft und Pazifismus; Nachfolge Jesu ist das entscheidende Anliegen. Die schon in den Ursprüngen der Täuferbewegung sehr wichtige Eidesverweigerung wird in der Präambel der Satzung der AMG hervorgehoben; die Trennung von Staat und Kirche hat hohe Bedeutung. Trotzdem nutzen AMG-Gemeinden die vom Staat angebotenen Rechtsformen (etwa 2/3 als K.d.ö.R., die meisten anderen als e.V.), akzeptieren mennonitische Einrichtungen staatliche Fördergelder, nehmen viele mennonitische Kinder und Jugendliche am Religionsunterricht in staatlichen Schulen teil und erteilen manche mennonitische Lehrer*innen solchen. Die mit dem Körperschaftsstatus verbundenen Rechte, insbesondere die Möglichkeit der Kirchensteuer, werden allerdings nicht in Anspruch genommen (vgl. Weiss: 299f).

Mennoniten engagieren sich aus Glaubensüberzeugung in hohem Maße in zahlreichen gesellschaftlichen Feldern, z.B. Friedensbildung, Seenotrettung, Klimagerechtigkeit, Freiwilligendienste junger Menschen.


Ökumene

Durch die Mitgliedschaft in der VEF signalisiert die AMG, evangelische Freikirche zu sein; viele AMG-Gemeinden bezeichnen sich auf ihrer Gemeinde-Netzseite so, und manche tragen diese Bezeichnung sogar offiziell im Namen. Die AMG ist darüber hinaus Mitglied u.a. der Mennonitischen Weltkonferenz, des ÖRK, der ACK und des Deutschen Komitees des Weltgebetstags. Bilaterale Gespräche zwischen Mennoniten und Lutheranern sowie Mennoniten und Katholiken auf Weltebene hatten zum Teil ihren Ausgangspunkt in Deutschland. 2012-2017 folgte der weltweit erste trilaterale ökumenische Dialog auf Weltebene zwischen diesen drei Kirchen bzw. Bünden. Meilensteine in Prozessen von „Heilung der Erinnerungen“ waren besonders der Bußgottesdienst zur Versöhnung zwischen LWB und Mennonitischer Weltkonferenz 2010 in Stuttgart, danach auch 2018 das gemeinsame Gebet während des Katholikentags in Münster unter den Täuferkäfigen am Kirchturm von St. Lamberti. Seit Beschlüssen aus den Jahren1994 (AMG), 1995 (VELKD) und 1996 (EKD) besteht zwischen AMG und den EKD-Gliedkirchen eucharistische Gastbereitschaft. Fast alle AMG-Gemeinden akzeptieren Kindertaufen als gültig. Seit Jahrzehnten kommt es vor, dass AMG-Gemeinden Landeskirchler als Pastoren beschäftigen. Mit der EKD ist die AMG durch Mitgliedschaft in mehreren überkonfessionellen evangelischen Werken verbunden (EMW, EWDE, DAeK, auch EZVK).

Lothar Triebel

gegengelesen von Martina Basso und Doris Hege


Literatur

  • Boller, Frieder: Art. Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden, in: Mennonitisches Lexikon Band V – Revision und Ergänzung (MennLex V), Teil 3, online auf http://mennlex.de/doku.php?id=loc:arbeitsgemeinschaft_mennonitischer_gemeinden (zuletzt geändert am 20.5.2020; dort weitere Lit.)
  • Voigt, Karl Heinz: Ökumene in Deutschland. Von der Gründung der ACK bis zur Charta Oecumenica (1948 - 2001) (Kirche - Konfession - Religion 65), Göttingen 2015, Kap. 4.7.10 und 4.7.11 (= S. 515-520).
  • Weiss, Andreas: Kirchenrecht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und ausgewählter evangelischer Freikirchen. Ein Rechtsvergleich (Jus ecclesiasticum 99), Tübingen 2012, bes. 83-86, 181-186, 420-424, 440f, 490-492, 520f.
  • Die Brücke – Täuferisch-Mennonitische Gemeindezeitschrift, hgg. von der AMG, erscheint zweimonatlich
  • Mennonitisches Jahrbuch, hgg. von der AMG 
Zurück