Malankarisch-Orthodoxe Syrische Kirche

Situation in der Gegenwart

Die Malankarische Orthodoxe Syrische Kirche (auch: Indisch-Orthodoxe Kirche) repräsentiert mit ihren etwa 2,5 Millionen Gläubigen die große Mehrheit der indischen Thomaschristen miaphysitischen Bekenntnisses. An der Spitze ihrer 30 Diözesen (vorwiegend im südwestindischen Staat Kerala, aber auch im übrigen Indien sowie in den USA und in Europa) steht der „Katholikos des Ostens, Katholikos des Apostolischen Stuhls des hl. Thomas und Malankarische Metropolit“ in Kottayam (Kerala). Zur Kirche gehören etwa 30 Klöster, und sie unterhält zwei Theologische Seminare, ferner mehrere medizinische und soziale Einrichtungen. 


Geschichte

Diese Kirche ist aus der Opposition hervorgegangen, die sich 1653 (Eid am Kunen kurisu / Coonen Cross) von der inzwischen ganz von abendländischen Jesuiten beherrschten Thomaschristenheit trennte. Da kein einheimischer Bischof diesem Schritt folgte und zu dieser Zeit keine Hilfe von der Assyrischen Kirche des Ostens (der traditionellen Mutterkirche) zu erwarten war, wandte man sich auf der Suche nach legitimer apostolischer Sukzession an die Syrisch-Orthodoxe Kirche des Patriarchats Antiochia. Ein Metropolit dieser Kirche kam noch im 17. Jahrhundert nach Indien und weihte den Malankaren einen Bischof; in der Folgezeit festigten dann weitere Prälaten aus dem Westen den Kontakt zur neuen Mutterkirche. 

Im 18. und 19. Jahrhundert prägten innere Spannungen und Rivalitäten die Geschichte der Kirche, von der sich 1772/74 eine kleine Gruppe trennte und zur Malabarischen Unabhängigen Syrischen Kirche (um Thozhiyur, Nord-Kerala) wurde. Unter britischer Herrschaft kam es zu Auseinandersetzungen mit den Anglikanern. Nach anfänglich positiven Kontakten grenzten sich die Malankaren 1836 in ihrer großen Mehrheit von ihnen ab, während ein kleinerer Teil fortan die reformatorisch geprägte Mar-Thoma-Kirche bildete. 
Zum bis heute andauernden Schisma unter den orthodoxen Malankaren kam es dann im 20. Jahrhundert. Der inzwischen traditionellen Unterordnung unter den syrisch-orthodoxen Patriarchen widersprach ein wachsendes malankarisches Selbstbewusstsein, das sich auf eigene apostolische Autorität (auf den „Thron des hl. Thomas“, den Apostel Indiens) berief. Dieser Streit endete 1974 mit der Erklärung der Autokephalie der Malankarisch-Orthodoxen Kirche, die der syrisch-orthodoxe Patriarch mit dem Anathema beantwortete. Etwa die Hälfte der Gläubigen trennte sich von der nun autokephalen Kirche und blieb (als heutige „Malankarische Jakobitische Syrisch-Orthodoxe Kirche“) dem syrisch-orthodoxen Patriarchat treu. Ein kleinerer Teil der orthodoxen Malankaren war bereits 1930 die Union mit Rom eingegangen und bildet seitdem die (katholische) „Syro-Malankarische Kirche “. 

Mit dem Anschluss an das syrisch-orthodoxe Patriarchat im 17. Jahrhundert hatte sich ein bemerkenswerter theologischer und liturgischer Wechsel vollzogen: vom herkömmlichen dyophysitischen Bekenntnis  der Assyrischen Kirche des Ostens  zu dem miaphysitischen der Orientalisch-Orthodoxen Kirchen  und damit vom ostsyrischen zum westsyrischen Ritus der Jakobos-Liturgie. Man zelebriert sie im traditionellen Westsyrisch-Aramäischen, inzwischen vorwiegend aber im volkssprachlichen Malayalam. Im Kirchenjahr folgen die Malankaren dem Gregorianischen Kalender.
 


Glaubens- und Gemeindeleben

Im Bewusstsein ihrer Autokephalie und apostolischen Autorität vertritt die Kirche die Thomaschristenheit orientalisch-orthodoxen (miaphysitischen) Bekenntnisses im zwischenkirchlichen Dialog. Sie weiß sich in der Tradition der indischen Orthodoxen, die seit Edinburgh (1937 ) und Amsterdam (1948 ) die ökumenische Bewegung mittrugen. Malankarisch-orthodoxe Prälaten und Laien  bekleideten hier auch leitende Ämter. Die Kirche beteiligt sich an den Dialogen der Orientalisch-Orthodoxen Kirchen mit der Orthodoxen Kirche  sowie mit Rom, und arbeitet (auch in führenden Positionen) im überkonfessionellen Nationalen Rat der Kirchen in Indien mit. 


Wolfgang Hage

gegengelesen von Georgy Rohith


Literatur

  • Daniel, David: The Orthodox Church of India, History, 2. Aufl. New Delhi 1986.
  • Hage, Wolfgang: Das orientalische Christentum, Stuttgart 2007 (Die Religionen der Menschheit. 29,2.), S. 341-355.
  • History of Christianity in India, Bangalore. Bd 2 (J. Thekkedath, 1982), S. 91-109; Bd 3 (E. R. Hambye, 1997), S. 45-64. 
  • Paulos Mar Gregorios (Paul Verghese): The Orthodox Church in India, an Overview, New Delhi u. Kottayam 1982.
  • Schmitz, Karen: Diamper und seine Folgen, die konfessionelle Konturierung der Thomaschristenheit in Kerala (Südindien), Marburg 2014, S. 87-97. 
     
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