Hillsong

Geschichte

Die pfingstlich geprägte Hillsong-Kirche wurde 1983 in Sydney/Australien als Hills Christian Life Center von Brian und Bobbie Houston (geb. 1956 bzw. 1957) gegründet. Sie ist eine wachsende und international ausgerichtete Megakirche mit ca. 150 000 wöchentlichen Besucherinnen und Besuchern in 30 Ländern. Durch ihre mediale Präsenz in sozialen Netzwerken, Youtube, TV und die intensive Rezeption ihrer Anbetungsmusik reicht der Einfluss der Kirche weit über ihre eigenen netzwerkartigen Kooperationen hinaus. Hillsong ist Trendsetter für die Musikkultur des globalen Erweckungschristentums und für viele charismatische und evangelikale Gemeinden das Modell der Kirche von morgen. Zur Hillsong Kirche in Sydney gehört auch das Hillsong College, ein großes Ausbildungszentrum u. a. für zukünftige nationale Leiterinnen und Leiter von Gemeinden mit weiteren Standorten. In Australien gehörte Hillsong viele Jahre zum australischen Zweig der größten klassischen Pfingstkirche, den Assemblies of God. 2018 wurde die Mitgliedschaft einvernehmlich beendet, denn Hillsong sieht sich nicht länger als australische Ausdrucksform einer klassischen Pfingstkirche, sondern als globale Megakirche mit einer australischen Herkunftsgeschichte und Basis. 2022 trat der einflussreiche Mitbegründer, Brian Houston, nach Vorwürfen des Fehlverhaltens als Seniorpastor zurück, was fraglos einen tiefen Einschnitt in der Geschichte der Hillsong-Kirche darstellt.


Musik

Im internationalen Kontext wurde die Kirche durch zahlreiche Musikgruppen (u. a. Hillsong United) und Konzerte bekannt. Professionell gestaltete Anbetungsmusik, die Aufnahme von Elementen der Jugend- und Popkultur, die Nutzung moderner Medien verstärkten die globale Resonanz der Bewegung. In Gottesdiensten und Konferenzen wird eine Atmosphäre geschaffen, in der sich starke Gefühle ausdrücken können und dem Ausleben der Glaubensemotion in Anwesenheit anderer Personen Raum gegeben wird. Hillsong widmet der Begrüßungskultur in den meist multiethnisch geprägten Gottesdienstgemeinschaften große Aufmerksamkeit. Die Video-, Sound- und Lichttechnik in verdunkelten Räumen schafft vielfältige Möglichkeiten, Stimmungen und Effekte hervorzurufen. Zugleich betont und pflegt Hillsong die klassischen Anliegen der Pfingstbewegung: die Taufe geschieht als Erwachsenentaufe, das Wirken des Geistes und die Praxis der Charismen Heilung, Glossolalie (Zungenrede bzw. Sprachengebet) und Prophetie stehen im Mittelpunkt der Frömmigkeit. Es wird erwartet, dass sich göttliche Kraft auch in außeralltäglichen Erfahrungen manifestiert, die den Menschen bis in seine Leiblichkeit betreffen. Rationalitätsskepsis verbindet sich mit einem Hunger nach erlebbarer Transzendenz. Durch Kleingruppen und ganzheitliche Angebote werden dauerhafte Bindungen aufgebaut. Die Eventisierung der sorgfältig vorbereiteten Gottesdienste mit zahlreichen Besucherinnen und Besuchern – teilweise mehr als 2000 – fördert eine Organisationsform, die durch den Kompromiss zwischen hoher Verbindlichkeit in überschaubaren Gruppen und einer nicht bedrängenden Offenheit in den großen gottesdienstlichen Versammlungen bestimmt ist. Neue Gemeinden werden als Startup-Unternehmen mit Wachstumsperspektive gegründet und gestaltet.


International

Es gehört zum Konzept der Ausbreitung von Hillsong, sich weltweit vor allem in großstädtischen Milieus zu etablieren. Gemeinden finden sich u. a. in London, Paris, Kiew, Moskau, Amsterdam, Kapstadt, New York. Im deutschen Sprachraum ist Hillsong in Konstanz, München, Düsseldorf, Berlin und Zürich vertreten. In Köln und Wien sind Gemeinden im Aufbau. Die Hillsong Kirche in Deutschland ist aktives Mitglied im Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP). Die Suche nach neuen Inkulturationen des Evangeliums in unterschiedlichen geographischen und gesellschaftlichen Kontexten treten zurück zugunsten der Verbreitung des eigenen Markenkerns. Gottesdienstliche Inszenierungen sind in ihren Abläufen und Stilen, wo immer sie stattfinden, ähnlich. Die Anbetungsmusik ist ein wichtiger Attraktivitätsfaktor von Hillsong-Gemeinden, noch vor der Reputation des Seniorpastors bzw. des Pastorenehepaars, von denen rhetorische Kompetenz ebenso erwartet wird wie Medientauglichkeit und Managementqualitäten. Wegen der Musikkultur verändern junge Erwachsene die Ausdrucksformen ihres Glaubens und schließen sich Hillsong an.


Kritik

Kritische Diskurse zur Hillsong Kirche beziehen sich auf ihre Wachstumsdoktrin, fehlende Transparenz bei Finanzen, eine gewisse Nähe zum Wohlstands- und Gesundheitsevangelium (Prosperity Gospel), die Konzentration auf die Person des leitenden Pastors, dessen Aufstieg und Fall Gegenstand öffentlicher Berichterstattung werden kann. Soziologen erkennen im zunehmenden Aufbau von Megakirchen einen möglichen Gestaltwandel des Religiösen. Im Anschluss an Max Weber und Ernst Troeltsch fragen sie, ob jenseits der klassischen Idealtypen religiöser Vergesellschaftung in „Kirche, Sekte und Mystik“ sich in Megakirchen eine weitere Sozialgestalt von Kirche ankündigt, die auch im europäischen Kontext längerfristig größere Resonanz gewinnen könnte.

 

Reinhard Hempelmann

gegengelesen von Freimut Haverkamp


Literatur

  • Anlauf, Martin: „Welcome Home“. Eindrücke von der Berliner Hillsong-Gemeinde, in: Materialdienst der EZW 11/2018, 412-416.,
  • Kern Thomas / Schimank Uwe: Megakirchen als religiöse Organisationen: Ein dritter Gemeindetyp jenseits von Sekte und Kirche?, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 65 (2013) 285-309.
  • Klaver, Miranda: New media Making und Breaking Religious Leadership: the Case of Hillsong Church, in: Zeitschrift für Interkulturelle Theologie 2018, 234-246.
  • Marti, Gerardo: The Global Phenomenon of Hillsong Church: An Initial Assessment, in: Sociology of Religion: A Quarterly Review 2017, 377-386.
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